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Baltes, Erbe und Sine Amplitude - EM im Doppelpack

Drei Staus, zwei Locations und ein großartiger Tag mit elektronischer Musik. Ein Erlebnisbericht von Alfred Arnold.

"Du fährst wohl überall hin?"  An diesen Satz erinnere ich mich noch, mit dem hat mich Sylvia Sommerfeld vor ein paar Jahren zum ersten Mal angesprochen.  Ist schon nicht ganz verkehrt, ich fahre so oft wie es geht zu Events, das ist meine Art, dem Alltag zu entfliehen.  Natürlich fahre auch ich nicht überall hin - das findet spätestens dann seine Grenze, wenn man feststellt, dass das Jahr nur eine endliche Anzahl an Samstagen hat und man sich zwischen zwei Events entscheiden muss.  Perfekt ist es aber, wenn zwei davon in zeitlicher und räumlicher Nähe zueinander liegen, so dass man sie zu einem langen (EM-)Tag kombinieren kann.  Dies begab sich am 21. Mai dieses Jahres - doch alles schön nacheinander.

Auch dieses Jahr spielten Baltes & Erbe einige Live-Sessions auf den Astro-Tagen in Essen.  Das ist eine Messe, auf der man alles erwerben kann, was der Hobby-Astronom so braucht - angefangen von Sternenkarten und Fernrohren aller Größen bis hin zur kompletten Kuppel für die eigene Sternwarte.  Selbst ein kleines Planetarium habe ich bei einem kurzen Rundgang entdeckt.  Nein, mit der Astronomie als Hobby werde ich wohl nicht anfangen, es blieb bei einer Taschenlampe als Schnäppchen, und ich war ja auch wegen der Musik gekommen.

Unfall und Stau auf der A61 sei 'Dank' hatte ich es nicht ganz pünktlich zur ersten Session um 12 Uhr geschafft.  Das machte aber nichts, die Auftritte waren wie auch letztes Jahr als Sessions mit offener Tür gedacht, Besucher auf dem Rundgang konnten einfach hereinkommen, eine Weile zuhören und auch wieder weitergehen.

Neu war dieses Jahr die erste der drei Sessions, in der nicht einfach Musik gespielt wurde, sondern in der Steve Baltes und Stefan Erbe Einblick in ihre Arbeitsweise gaben.  Fragen wurden beantwortet, z.B. welche Hard- und Software die beiden einsetzen, wie man die einzelnen Sound-Elemente zu einem Titel zusammenstellt und wie sie sich auf so einen Live-Auftritt vorbereiten (üblicherweise gar nicht).

Die zweite und die dritte Session bestanden dann aus bekannten Titeln der s-thetic und neuen Stücken, die sich in der einen oder anderen Form auf ihrer nächsten CD finden werden.  Wie auch schon bei früheren Auftritten wechselten sich eher sphärische Titel mit rhythmisch-melodischeren ab, und die Video-Projektionen auf der großen Leinwand taten ihr übriges, dass es nicht langweilig wird. Auch bekannte Titel bekommen durch das Live-Spiel und Improvisieren immer wieder einen neuen Touch.  Ich könnte schwören, der gute Stefan hat den einen oder anderen Sound ausprobiert, der für sein kommendes Klassik-Projekt gedacht ist. Steve Baltes bringt dafür jedes Mal anderes elektronisches Equipment mit.  Dieses Mal hatte er einen im wahrsten Sinne des Wortes 'tragbaren' Subwoofer dabei, man schnallt ihn sich wie einen Rucksack um und kann dann beim Spiel die Beats am eigenen Leib spüren.

Arbeitstitel der nächsten CD ist übrigens 'Electric Garden', Premiere voraussichtlich im November wieder in Bochum im Planetarium.

Kurz vor fünf war die letzte Session vorbei, dann noch fix abgebaut, etwas quatschen und weiter geht es zum zweitem EM-Termin dieses Tages.  Torsten Abels neue Formation 'Sine Amplitude' spielte abends am gleichen Tag in der Pauluskirche Dortmund.  Von Essen nach Dortmund ist es ja eigentlich nur ein Hüpfer, da kann man sich ja Zeit lassen - und prompt steht man wieder im Stau, dieses Mal musste die Feuerwehr eine bajuwarische Nobelkarosse auf der A42 löschen.  Das hatte hoffentlich nichts mit dem Pokalendspiel zwischen Borussia Dortmund und Bayern München zu tun.

EM- und Fußballfans mussten sich an diesem Abend nämlich für das eine oder andere entscheiden.  Mir fiel das leicht, ich interessiere mich ja eher für das Ballspiel, bei dem eine Reihe bunter Bälle auf einem grünen Tisch hin-und hergeschoben werden.  Für die Borussia-Fans unter den Besuchern, und nicht nur für die, hatte die Pauluskirche in ihrem Garten einen Grill, einen Getränkestand und eine Videoleinwand aufgebaut.  So konnte man vor dem Konzert und in der Pause sich schnell auf den neuesten Stand bringen und dabei noch ein Grillwürstchen und ein Bier konsumieren.

Sine Amplitude machen ganz klar elektronischen Rock, wer Morpheusz, Pyramaxx oder Picture Palace music mag, wird auch daran seine Freude haben (Fans der 'Berliner Schule' vielleicht weniger).  Der größten Teil des Programms waren Titel der Debut-CD 'Hypnotized', auch live ergeben sie eine schöne Balance zwischen 'Losfetzern', Rock-Balladen, und chilligeren Parts.  Nach der Pause gesellte sich auch noch Frank Brennecke am Bass dazu.

Zwei Zugaben wurden nach dem zweiten Teil gefordert und gewährt.  Für die erste setzte Torsten sich an den Flügel, der bisher ungenutzt auf der Bühne gestanden hatte.  'Aureus Lumen - Stadt aus Licht', ist Teil eines Hörbuch-Projekts, für diesen Titel hatte die Elektronik ganz Pause, nur Piano, akustisches Schlagzeug und E-Gitarre.

Die zweite Zugabe, Schlusspunkt des Auftritts, 'Trip To New Shores', stammte von Torstens RAL 5002.  Torsten Abel und Co. brachten übrigens das Kunststück fertig, mit dieser zweiten Zugabe just zu dem Zeitpunkt fertig zu sein, wo draußen auf der Leinwand das Elfmeterschießen begann.  Für die Borussia hat es ja leider nicht ganz gereicht.  Dortmunder sind aber gute Verlierer, noch ein letztes Bier auf den zweiten Platz und die Bayern, die so gerade eben Vorletzte geworden sind, und dann geht's auf den Heimweg.

Und was soll ich sagen: auf dem Rückweg nach Aachen hat mich wieder ein Stau erwischt, dieses Mal Nacht-Baustelle an der maroden Leverkusener Brücke.  Aber was soll's, am Sonntag kann man ausschlafen und das sind die Tage, die einem lange positiv im Gedächtnis bleiben.  Um noch einmal auf die Bemerkung vom Anfang zurückzukommen - nein, nicht jedes Wochenende bekomme ich so gefüllt, so etwas ist schon ein Highlight im Jahr.

Auch das nächste Wochenende wird nicht ereignislos vergehen, in Mai ist immer recht viel los, bevor die Urlaubssaison beginnt.  Aber das wird Stoff für einen anderen Bericht sein.

Alfred Arnold

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.