Alien Nature - Who Goes There?

Es ist doch schön, wie Elektronikmusiker einen immer wieder überraschen können. In diesem Fall ist es Wolfgang Barkowski alias Alien Nature. Eine neue Alien-Nature-CD ist jedes Mal wie eine Wundertüte – man weiß nie, was einen erwartet. Bei Wolfgang bin ich mir allerdings auch relativ sicher, nicht unangenehm überrascht zu werden.

Mit einem auffallend ungewöhnlichen Cover versehen ist auf dem SynGate-Label das neue Album mit dem Titel „Who Goes There?“ erschienen. Das Bild zeigt ein wespenähnliches Insekt, das ein Raumschiff gepackt hat, wobei nicht klar ist, welches der beiden Objekte in natürlicher Größe abgebildet ist, und ob die Wespe das Raumschiff gefangen hat oder sich davon ziehen lässt... Wie auch immer, Thema dieses Albums ist die Science-Fiction-Literatur, für die Wolfgang Barkowski ein Faible hat. Sein Künstlername kommt ja auch nicht von ungefähr.

Die CD „Who Goes There?” beginnt mit Atemgeräuschen und Ambient-Atmosphäre. Nach gut drei Minuten auf der „Mind Bridge“ gibt es einen Schwenk, Schlagzeug setzt ein, und der Sound, den Wolfgang mit seinen Synthesizern kreiert, erinnert mich an TMA & Friends. Zu diesen Freunden gehört Wolfgang ja schließlich schon sehr lange, daher ist der Eindruck vielleicht gar nicht so abwegig.

Alien Nature ist aber nicht TMA, und Wolfgang Barkowski hat eine ganz andere Art, Melodien zu entwickeln. Zwar ist sein aktuelles Album leichter zugänglich als die beiden Vorgänger „Station Platforms“ und „Heisenberg 1“. Dennoch bleibt unbedingt anzumerken, dass sich in den sechs Tracks dieses Longplayers immer wieder Abgründe auftun, manche Spitze querschießt und das Album unterscheidbar macht.

Neu für mich auf „Who Goes There?” sind vor allem die im Vordergrund und sehr natürlich klingenden Drums und die Gitarrensounds, wie sie z. B. im kraftvollen Stück „Patterns Of Chaos“ vorkommen.

Eine gewisse Erholung bietet dann „Tomorrows Children“ durch die sanfte Atmosphäre und die zarten Klänge in der Melodie. Nach gut der Hälfte der Laufzeit wird diese Stimmung aber mithilfe von etwas härteren Sounds und einer leicht metallisch klingenden Sequenz wieder aufgebrochen.

Musikalisch höchst interessant finde ich „The Radiant Dome“. Auf faszinierende Weise entwickelt Wolfgang diesen Track, der wie auch „Patterns Of Chaos“ in der Tradition des Krautrock steht, in den ersten Minuten völlig melodielos. Für die dann zu hörenden Melodien setzt er eine große Vielfalt an verschiedenen Sounds ein – einfach toll.

Überhaupt, die Melodien: Manchmal ist es ja so, dass man mit dem Kopf weiter ist als die Musik und weiß, welcher Ton als nächster kommt. Bei Alien Nature ist das meist anders. Die Melodieführung ist oft überraschend anders, Wolfgang schlägt gerne unerwartete Haken. Und was mir bei „Heisenberg 1“ die Bemerkung wert war, dass Melodien schon einmal etwas ziellos endeten, das hat sich bei „Who Goes There?“ völlig erledigt. Ich habe nix zu meckern!

Das oben genannte gilt auch bei dem Track „Galactic Corridors“. Und so ist es eine Freude, diese „Korridore“ entlang zu gehen. Angesichts der schönen Melodie und der angenehmen Sounds empfinde ich das Stück trotz seiner 12 Minuten Laufzeit als zu kurz.

Mit „Torrent Of Faces” gibt es zum Schluss noch einen Titel, der recht rockig ist: vorwärtsdrängende E-Gitarre, ein ebensolches Schlagzeug – das lässt die Füße sicher nicht still verharren. Wie ich punktuell bei diesem Album an TMA & Friends denken musste, so erinnert mich u. a. der Track „Torrent Of Faces“ an die neueren Werke von Computerchemist und Level Pi. Wie es begann, so endet „Who Goes There?“ auch mit Atemgeräuschen – und so schließt sich der Kreis.

So gut mir die Musik von Alien Nature ohnehin schon gefällt, ich meine, dass Wolfgang Barkowski mit „Who Goes There?“ den EM-Freunden eine richtige Perle vermacht hat. Ein Album voller Energie, mit tollen Klängen, Überraschungen und hohem Suchtpotenzial! Tja, da gibt’s nur eins: Selber diese CD kaufen. Bei mir läuft das Album jedenfalls zur Zeit im Dauerbetrieb.

Bezug: http://www.syngate.net

Andreas Pawlowski

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