Robert Schroeder - D.MO Vol. 5

Robert Schroeder - D.MO Vol. 5 CoverEs ist manchmal schon vertrackt mit der Kreativität. Da will einem partout zum geplanten Konzept nichts einfallen, und stattdessen schenkt die Inspiration Titel, die nicht auf das Album passen wollen. Diese 'Einzelstücke' landen dann ungenutzt und ungehört in der Schublade. Robert Schroeder macht seit diversen Jahren eine Tugend daraus: Er greift in sein ohne Frage stattliches Archiv solcher unveröffentlichter Titel und stellt daraus Alben der 'D.MO' Serie zusammen.

Elektronische Maschine - Life Goes On

Elektronische Maschine - Life goes on CoverDie Elektronische Maschine hat sich Zeit gelassen mit ihrem ersten Album nach dem Bühnen-Comeback. Üblicherweise tüftelt ein Musiker ja an seinen Tracks im stillen Kämmerlein, bis sie als veröffentlichungs- und bühnenreif erachtet werden. Bei dem Quartett um Richard de Boer scheint es umgekehrt zu sein: Über die letzten Jahre wurden immer mal wieder neue Titel bei Live-Auftritten getestet und verfeinert, und nun hat das Portfolio einen Umfang erreicht, der ein komplettes neues Album füllt, inklusive einiger Remixe.

Wie klingt sie nun, die Elektronische Maschine des Jahres 2024?  Sie hat sich auf 'Life goes On' deutlich von ihrem ursprünglichem Düsseldorfer Vorbild gelöst. Der Sound ist härter und direkter geworden, und nimmt Anleihen bei Club und Dance. Dabei könnte es stellenweise für den 'klassischen EM-Fan' etwas zu hart zugehen, aber gleich der Folgetitel besänftigt wieder. Mit 'Intermezzo' ist dieses Mal sogar ein völlig Rhythmus-loses Stück dabei.

Die Themen der Titel kreisen nach wie vor um die Themen 'Energie', 'Kraft' und 'Macht', und wie man sie einsetzt, um zum Beispiel einen Berg zu bezwingen - eine Parabel auf die Probleme und Hindernisse des Alltags? An 'Life goes On' ist aber neu, dass diese Dinge auch kritisch hinterfragt werden. Macht kann missbraucht werden, Kraft kann in Gewalt umschlagen, und eingesperrte Energie wandelt sich leicht zu Aggression. Dazu gab und gibt es in den letzten Jahren zuhauf Beispiele: Kriege, das Eingesperrt-Sein während der Lockdowns und die zunehmenden gesellschaftlichen Konflikte.

Insofern könnte man 'Life Goes On' als Kommentar auf die heutigen Zeiten verstehen: Irgendwie geht es weiter, seid stark, aber setzt Eure Kraft mit Bedacht ein! Aber wie immer, wenn der Rezensent sich in dieser Kolumne zu Interpretationen versteigt:  Kann man machen, muss man aber auch nicht. Man kann zu der Musik einfach einen Auftritt der elektronischen Maschine vor den geistigen Augen Revue passieren lassen, mitsamt der einzigartigen Bühnenshow. Wir wünschen ihr von hier aus weiter die Kraft, diesen Weg fortzuführen!

Alfred Arnold

 

Manuel Scuzzo - Traumfabrik

Manuel Scuzzo - Traumfabrik Cover

Der Name Manuel Scuzzo war mir bisher nicht geläufig, aber Rezensionen in diesem Magazin sind ja auch immer eine gute Gelegenheit, sich mit Material zu beschäftigen, was man bisher nicht auf dem persönlichen Radar hatte. Manuel Scuzzo ist ein Hamburger Produzent und Musiker, und legt mit 'Traumfabrik' sein zweites Album vor.

Ausgangspunkt war die Filmmusik zu einem gleichnamigen Film.  Bei Filmmusik auf Alben bin ich immer etwas vorsichtig: Oft werden Musikschnipsel, die passend zu den Filmszenen komponiert wurden, einfach nur auf Tonträger gepresst und verlieren ohne die Bilder dann ihre Funktion und Wirkung.

Das ist auf 'Traumfabrik' aber anders, hier verrät uns der Begleittext, dass der Film-Score fürs Album neu interpretiert wurde. Und so werden wir angenehm überrascht und finden hier ein knappes Dutzend vollwertiger Tracks, zu denen man den eigenen Träumen freien Lauf lassen kann. Indes - ob man ernsthaft ins Träumen gerät, sei dahingestellt. Die Gangart ist durchgängig rhythmisch: kein Techno, aber immer flott und beschwingt. Es fällt schwer, den Takt nicht mit zu gehen, sei es nur mit dem Fuß oder mit dem ganzen Körper, nachdem man sich aus dem heimischen Sessel oder Bürostuhl gehievt hat.

'Traumfabrik' ist ein schönes und kurzweiliges Album. Wer musikalischen Tiefgang erwartet, wird hier eher nicht fündig werden, Fans von von 80er-Jahre Funk/Synthpop umso mehr. Der wird hier mit modernen DJ-Sounds gemixt. Für mich ist das ein Album für die Fahrt mit dem Cabrio an einem heissen Sommertag. Die wäre bei den aktuellen Temperaturen ja eher schwierig, und ein Cabrio habe ich schon mal gar nicht. Man wird ja wohl noch mal etwas träumen dürfen!

...aber halt, habe ich da gerade von etwas geträumt? Erwischt!

Alfred Arnold

https://mosaik-promotion.de/article/?26387

Mike Hans Steffl: Calaboose Islands

Colin Rayment - Time Dilation Cover

„Calaboose Islands“ sind Gefängnisinseln, und um die geht es auf dem aktuellen Album von Mike Hans Steffl. Sieben Titel, knapp 75 Minuten Laufzeit, jeder Track eine Insel – viel Stoff, ein Thema mit vielen Variationen bzw. sieben verschiedenen Inseln und Gefängnissen.

Mike schreibt dazu, keines der Gefängnisse würde mehr als solches genutzt, die Natur erobert sich ihren Bereich wieder zurück. Unter der friedlichen Oberfläche aber könne man noch immer das erlittene Leid der Gefangenen spüren.

Es geht also durchaus um beides: Schönheit und friedliche Natur, die heute die Inseln beherrschen, auf der einen Seite, Bitterkeit der Vergangenheit auf der anderen Seite. Mike Hans Steffl nutzt die musikalischen Stilmittel für beide Seiten, z. B. Sequenzen oder Melodien als Ausdruck sowohl für erlebtes oder spürbares Leiden in den Gefängnissen der vergangenen Zeiten oder eben für die Insel mit von Pflanzenwuchs überwucherten Gefängnismauern.

In meinen Ohren überwiegt die positive Seite deutlich. Immer wieder aber gibt es Brüche in den Stücken, so dass die bedrückende Atmosphäre und das erlebte Leid der Gefangenen spürbar wird. Mir gefällt auch, dass Mike viele eigene oder auch eigenwillige Klänge verwendet. Vor allem über Atmosphären und Sounds erzählt er von den Calaboose Islands. Wenn der größte Teil der Musik auf diesem Album auch eher positive Gefühle und Eindrücke transportiert, so finden sich doch dunklere Teile. „Asinara“ ist insgesamt etwas düsterer und aggressiver gestaltet als andere Titel. Der Folgetitel „San Lucas“ ist dann musikalisch eher das Gegenteil. „Pianosa“ ist schon ein Ambienttrack und wirkt auf mich sehr „spacig“.

„Alcatraz“ war der für mich einzig bekannte Name, sicherlich dem einen oder anderen Spielfilm US-amerikanischer Herkunft geschuldet. Und dieses Stück ist auch das durchgängig rhythmischste Stück des Albums. Und der einzige Track, bei dem das Gefängnis durch Schritte und schließende Türen erkennbar wird.

„Calaboose Islands“ ist für mein Empfinden ein rundum gelungenes Album, das ich nicht nach einmaligem Hören weglegen würde.

Andreas Pawlowski

https://mikehanssteffl.bandcamp.com/

Lambert - Bon Courage

Lambert - Bon Courage Cover

Fast ein Jahrzehnt hat sich Lambert mit einem Nachfolger zu seinen letzten Solo-Album 'Drachenreise' gelassen.  In dieser Zeit ist er aber alles andere als musikalisch untätig gewesen oder hat sich auf sein Label 'Spheric Music' beschränkt.  Auf diversen anderen Alben anderer Musiker, unter anderem Bertrand Loreau und Johannes Schmoelling, konnte man seinen Namen als Beitragender lesen. Und siehe da, auf 'Bon Courage' wird wiederum Johannes als Mit-Komponist gelistet. Wenn auch explizit nur bei einem der Tracks, so findet der Schmoelling-Kenner auch bei anderen Titeln vertraute Sounds und Strukturen wieder. Die langjährige Zusammenarbeit hat ihre Spuren hinterlassen, und das ist positiv gemeint.

So beamt Lambert uns in die erste Hälfte der 80er-Jahre zurück, eine Zeit, die nicht wenige für die beste eines bekannten Berliner Trios halten. Die eher kurzen Titel geben Raum für Stimmungs- und Tempowechsel, und auf diese Weise ist "Bon Courage" auch ein Spiegel unser aller Leben in diesen Zeiten, mit ihren emotionalen Hochs und Tiefs, sowohl was persönliche Erlebnisse als auch das Tagesgeschehen angeht. Lambert möchte uns mit dem Album-Titel und der Musik Mut machen, den Alltag zu meistern und das Gute in den Dingen zu sehen.  Ist das ein zu gewagtes Ansinnen?  Frank Zappa hat ja einmal gesagt, Lieder würden nichts bewirken. Nach mehrmaligem Genuß dieses Albums möchte ich zumindest für meine Person widersprechen. Auch wenn ein Album die Welt nicht verändern kann, es kann den Menschen eine Auszeit bescheren, nach der sie sich mit neuer Energie und positivem Blick wieder in den Alltag stürzen können. Und wir können Lambert für diese Auszeit dankbar sein. Wir wünschen im Gegenzug ihm weiterhin guten Mut, sowohl bei dem was er gerade tut, als was er in Zukunft noch tun wird!

Alfred Arnold

https://lambert3.bandcamp.com/album/bon-courage

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.