Deep Imagination – My Silent Celebration

DIDas Musikprojekt Deep Imagination des hessischen Bandleaders Thorsten Sudler-Mainz begleitet uns mit seiner Musik schon eine gefühlte Ewigkeit. Umso mehr wundert es, dass es tatsächlich erst der 5. Longplayer  ist, den Thorsten in den letzten Jahrzehnten mit DI hervorgebracht hat. Dies erklärt sich sicher aber auch dadurch, dass es gute 2 Jahre gebraucht hat, bis alle 8 Stücke auf einem finalen Album verewigt werden konnten. Recht so, denn das „Gutes braucht ein bisschen länger-Konzept“ ist voll aufgegangen. Sein mystisches Grundthema zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Projekt und spiegelt nicht nur die Qualität des kompositorischen Aufwandes wieder, der hier mit vielen verschiedenen Gastmusikern umgesetzt wurde. Die Tracks sind allesamt sehr Progressiv und recht Artrockig mit Einflüssen aus Ambient und ethereal Goth. Gerade Fans von Pink Floyd und artverwandten Bands werden sich hier besonders heimisch fühlen, denn es zeigt sehr deutlich, dass es immer noch einiges an musikalischen Ideen gibt, die bisher ungehört blieben. Auch das Drumherum zeugt von professioneller Machart, den Cover, Artwork und der visuelle Output rund um „My Silent Celebration“ reihen sich locker in die erste Riege anspruchsvoller Musikproduktionen.
Thorstens Aufwand macht Mut, denn es zeigt, dass es immer noch lohnt in umfangreiche und aufwendige Produktionen zu investieren, sich viel Zeit zu nehmen und nicht, „mal eben ein Album zu machen“. Es ist die perfekte Grundlage für Scheiben wie diese, die uns sicher ein wenig länger begleiten werden.

www.deep-imagination.de

Stefan Erbe

Stefan Erbe - Breathe

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Sind es die aktuellen Umstände, oder persönliche Erlebnisse, oder eine Kombination aus beidem, die bei einem Künstler zu einem Kreativitätsschub führen? Die Frage könnte man Stefan Erbe stellen, ist es doch ein für ihn ungewohntes Vorkommnis, dass bereits ein halbes Jahr nach dem letzten Studioalbum "Nachtlichter" schon der Nachfolger seine Fans erreicht.

Rhythmische und atmosphärische Titel wechseln auch hier einander ab, aber die Grundstimmung ist eine andere: Alles über alles legt "Breathe" eine merklich langsamere und weniger poppige Gangart als "Nachtlichter". Das geht natürlich nicht so weit, dass ein Hardcore-Ambient-Fan dieses Album als sein 'Ding' betrachten würde, aber es ist schon signifikant, wie dieses Mal das eine oder andere stilistische Element aus dieser Ecke in das Erbesche Klang-Universum integriert wurde, ohne dabei Abwechslung und Spannungsbogen zu vernachlässigen. Auch für "Breathe" empfehle ich, die Tracks in der vom Schöpfer vorgegebenen Reihenfolge zu hören und das Album nicht in den musikalischen Fleischwolf eines Shuffle-Modes zu stecken.  Zusammen mit den Namen der Tracks erschließt sich dann, wie "Breathe" eine Art persönliches, musikalisches Tagebuch der letzten Monate sein könnte, mit allen ihren Höhen und Tiefen, all ihren Beschleunigungen und (Not-)Bremsungen im Alltag.

Auch wenn "Breathe" natürlich wieder ein Album ist, das man als Erbe-Fan "einfach so" ohne tiefere Gedanken genießen kann, so hat es eine nachdenkliche und reflektive Tiefe, die Gelegenheit gibt, auch einmal selber über den einen oder anderen Moment in der letzten Zeit nachzudenken. Stefan Erbe wäre nicht Stefan Erbe, wäre der Ausblick im Schlußtrack nicht positiv, und selbiger bringt noch einmal den einen oder anderen unerwarteten und neuen Sound.

Unser Leben besteht aus vielen Momenten, auch wenn ein solcher manchmal nur ausreicht, tief durchzuatmen. Ich bin geneigt, den Titel diese Albums als Imperativ zu interpretieren: Atme, denn Atmen ist Leben, und das Leben geht immer weiter. Solange es Erfahrungen wie dieses Album bereit hält, ist es absolut die Sache wert.

https://erbemusic.com/

Alfred Arnold

 

Electric Mud – Quiet Days on Earth

emudSchon eine ganze Weile verbrachte die „Stille Erdtagen-Musik“ von Hagen Bretschneider und Nico Walsers ihr Anwesenheit im Rezi-Ordner des Rezensenten und wartete geduldig auf ihr Empulsiv-Review. Aber warum musste es solange dauern, bis der Redakteur nun endlich den finalen Kritikbogen auflösen konnte?
Nun, um es vorweg zu nehmen, die epische und stilistische Bandbreite des Longplayers braucht mehr als nur ein „loses“ reinhören um die mannigfaltigen Aussagen der Tracks zu verstehen. Die Musik ist derart komplex und umfassend in der Wahl seiner tonalen Waffen, als dass es auch nur annähernd eine musikalische Schublade gäbe, in die das Gesamtkunstwerk passen würde. Vielmehr müsste der gesamte Schubladenschrank seiner Einlagen beraubt werden, um in Gänze eine gerechtfertigte Behausung dafür zu finden. Im Grunde bedient sich das Prog-Rock-Electronik-meets-epischen-Cinema-Content-Album sämtlicher Film-Genres und lässt uns imaginär durch die letzten Jahrzehnte zelluloider Klassiker reisen, ohne dass es ein echtes Bild dafür braucht. Egal ob Scifi-Streifen, Westerndrama oder Arthaus-Roadmovie, Bretschneider und Walser lösen jedes Thema auf ihre Weise und erzählen spannungsgeladene Geschichten, die selten ihre Wirkung verfehlen. Somit möchte sich der Rezensent nun nochmals für die Rezi-Verzögerung entschuldigen, er war noch immer in einem der 15 virtuellen Cinema-Sequels gefangen, obwohl das Popcorn schon seit Wochen „aus“ war.

https://electricmud.bandcamp.com/

Stefan Erbe

Twins In Mind - L'Essence de la Vie

Twins CoverEine der erfreulichsten Überraschungen in diesem merkwürdigen Jahr ist die Veröffentlichung von TWINS IN MIND mit dem Album „L'Essence de la Vie“. Der belgische Komponist und Produzent Adriaan Baussens hat sich als Fan von ENIGMA ganz bewusst auf die Schiene dieses Genres begeben und letztendlich ein wahres Meisterwerk erschaffen, das Michael Cretu nicht besser hätte produzieren können!

Es startet mit diesen ominösen, atmosphärischen Klangsalven, dass einem gleich wohl in der Seele wird. Wenn dann noch die folgenden Tracks die ultrawarmen, rhythmisch-delikaten, üppigen Enigma-ähnlichen Soundcollagen bieten, dürfte jedem Skeptiker der Bann gebrochen sein. Der Höhepunkt jedoch bildet sich in der Mitte des Albums mit dem hammer-kraftvollen, enorm positiven „Boundless Soul“, das schließlich in dicht geknüpfte, tiefe atmosphärische Tracks wie z.B. „Love Is A Sin“ hinübergleitet und dann in eine neue musikalische Welt eintaucht mit dem Titel „Mind Travel“. Viel zu kurz geraten sind hier die überragenden Ethno-Vocal-Schnipsel, die man so noch nie zuvor gehört hat. Doch der süchtig machende Trip geht immer weiter mit Samples und technischen Effekten auf höchstem Niveau bis im vorletzten Song ein Gastsänger (Tom Dahl aus Norwegen) einen euphorischen Auftritt bietet. Auch wenn es noch so abgedroschen klingt: das Album ist Balsam für die Ohren! Und es tut gut, mal wieder einen warmen, überirdischen Sound zu hören, wie damals in den 90ern, als ENIGMA mit seinen ersten 3 Alben die Musikwelt revolutionierte. Sehr empfehlenswert der 45minütige „Continuos Mix“ mit sagenhaften Übergängen. Ein „must-have“ für Fans dieses Genres.

https://twinsinmind.bandcamp.com/album/lessence-de-la-vie

Will Lücken

Johannes Schmoelling - 20

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Ein besonderer Schritt im Leben eines Musikers ist die Gründung eines eigenen Labels: Einerseits verspricht es größere musikalische Freiheit, andererseits bringt es auch die Bürde unternehmerischen Risikos mit sich. In der EM sind solche Label-Gründungen gar nicht so selten, und es gibt auch zahlreiche Fälle, in denen dieses Abenteuer nicht gut ausgegangen ist. Bei Johannes Schmoelling ist die Gründung von "Viktoriapark Records" zwanzig Jahre her, und die sind bisher erfolgreich verlaufen. Da darf man den runden Geburtstag auch mal ein bisschen feiern, am besten nicht nur mit Sekt und Häppchen, sondern auch mit einem
Jubiläums-Release. Und weil Feiern alleine keinen Spaß macht, hat sich Johannes einen Mitspieler zu jedem der Tracks genommen.  Derer finden sich gerade einmal vier auf "20", die zusammen auf eine halbe Stunde Spielzeit kommen, und alle bisher unveröffentlicht waren. Johannes zieht die Klasse der Masse vor,
und vielleicht steht dahinter auch die versteckte Botschaft, daß die "echten" Freunde, die man im Verlaufe eines Lebens so findet, meist gar nicht so zahlreich sind?

Wie dem auch sei, alle Titel auf "20" sind echte Schmoelling-Tracks: warm, harmonisch, in der Länge auf den Punkt, und damit auch Belege für Johannes' kompositorische Fähigkeiten. Das, was der EM-Fan an dieser Musik so liebt - Sequenzen, Flächen Rhythmen Melodie - findet sich in den Titeln wieder, und immer in einer wohl-balancierten Form, weder brachial noch endlos ausgewalzt.

Mit "20" hat Johannes Schmoelling nicht nur sich und seinem Label ein feines Geburtstagsgeschenk gemacht - auch die Fans seiner Musik dürfen ein wenig mitfeiern, und haben die Gewissheit, dass "Viktoriapark Records" wohlauf ist und auf absehbare Zeit eine Quelle von EM sein wird, die einen spontanen "Haben wollen" Reflex auslöst.

http://www.viktoriapark-records.de/

http://www.sphericmusic-shop.de

Alfred Arnold

 

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.