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Kolumne: Vom "A" und "O" des richtigen Namens

Der Kolumnist schwört, dass er nur selten etwas anderes macht, als sich mit Musik zu beschäftigen. Aber manchmal gibt es auch Bürokratisches zu erledigen und so läuft neben dem E-Mails beantworten, Rechnungen schreiben und sonstigem Administrativzeuchs, gelegentlich auch die heimische Plasma-Glotze. Eher unfreiwillig blickt dann schon einmal ein Auge auf die SD-Bilder des antiquierten Flachfernsehers und sehr selten vermengt sich Gesehenes und Gehörtes zum Anlass, mal genauer das Treiben auf dem Gas-Gucker zu verfolgen.

Die ungeteilte Aufmerksamkeit erregte dieses mal ein besonderer Werbeblock eines Privatsenders, der in gekonnter Intensität die futuresken Namensgebungen moderner Vertriebsfirmen in spektakulären Spots aneinanderreihte. In einer fast ununterbrochenen Sequenz versammelten sich Zalando, Trivago, Opodo, Apomio, Expedia und Transparo gefolgt von Fabego und Yatego.

Unglaublich, dachte ich mir! Das ist mal eine ungeheuerliche Ansammlung werbestrategischer Buchstabenanordnungen. Sozusagen das "A" und "O" der systematischen Namensgebung für Neuzeitliche Verkaufsgesellschaften. 
Wie immer, wenn auch nur eine Gehirnzelle des Kolumnisten ein spannungsgeladenes Neugierigkeitsmolekül erzeugt hat, sucht der Rest der gescheiterten Hohlraumversiegelung zwischen den Ohren nach einer Sinnhaftigkeit oder manchmal sogar nach einem Muster. Wenn Augenscheinlich so viele Firmen nur diese "A" und "O" verwenden, muss dahinter mehr stecken, als nur der Verlust an die Erinnerung anderer Vokale. Woher stammt also diese unglaubliche Anwendung, hauptsächlich nur den Buchstaben "A" und "O" in die schreiende Werbung zu implantieren? Ist es, weil die halbe Welt mit "E-s" "I-S" und "U-s" nix anfangen kann oder es ungleich ausspricht? Wohl eher nicht, denn auch das "A" und "O" kennt verschiedene phonetische Anhörungen in der anglizitischen Werbewelt.

Somit muss es etwas mit dem Klang bzw. der Modulation des Namens zu tun haben. Suggerieren viele "As" und "Os" etwas wohliges im Wort? Ist es eine heimliche Botschaft, die in uns den Kaufreiz auslöst, wenn wir Namen wir Opodo oder Trivago hören? Gab es eine alte Inka-Rasse die von Ausserirdischen besucht wurden und uns und Erich von Däniken damit eine Formel des willenlosen Herbeischaffens von industrieerzeugten Artefakten hinterließ? Ist das Schreien des Zalandoischen Paketbringers doch die Ankündigung des baldigen Weltendes? Und warum hat uns Ranga Yogeshwar noch nicht kurz vor Acht erklärt, wieso auch er soviele "As" und "Os" in seinem Namen trägt.

Mir scheint, dass es in dieser aktuellen Verschwörungslage um viel mehr geht, als nur die bloße Menschheitsbeeinflussung und wir noch ganz am Anfang der Schöpfung neuer Bezeichnungen und Namen sind. Werbewirksame Strategien wie diese, könnten ja möglicherweise auch in die Welt der Musik angewandt werden. Daraus ergibt sich dann die Frage, hätten Tangoran Drama, Kraftwork oder Vongalis noch mehr Erfolg gehabt, würden Schollar, Jan Macho Jarr und Klaas Scholz mit ihrer Namensaussprache noch mehr unzählige Platinalben produzieren? 

Sollte dies tatsächlich so sein, wäre nun ein Geheimnis unseres unterschwelligen Kaufzwanges fast gelöst. Allerdings outet sich der Kolumnist als Immun gegen diese perfide Werbemachart, sie hat nicht zum unfreiwilligen Bestellvorgang geführt. Das hauseigene Neugierde-Molekül ist rasch an mangelnder Nahrung gestorben und die anderen Zellen haben sich schnell wieder auf das Betrachten der "Einsen und Nullen" des Klappkomputers eingestellt. Allerdings mit einer langsam aufkeimenden Vermutung, dass die "Einsen und Nullen" möglicherweise das Verschwörungs-"A" und "O" der Digitalen Welt sein könnten...und da war auf einmal wieder der atomisierte "Hunger" im Kopf... 

Stefan Erbe 

 

Über Empulsiv

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