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Hello 2016 - John Kerr ist wieder da!

Traditionell letzte EM-Veranstaltung des Jahres ist die Hello-Reihe des Schallwende-Vereins.  Einen Tag vor Silvester wird noch einmal ins Rund des Bochumer Planetariums zu einem Jahresabschluss-Konzert eingeladen. Dieses Jahr konnte man dafür einen besonderen musikalischen Gast verpflichten.  John Kerr hatte nach schwerer Krankheit seine musikalische Karriere eigentlich schon vor Jahren beendet, der Schallwelle-Preis fürs Lebenswerk im letzten Jahr hat ihn aber motiviert, wieder aktiv zu werden.  Getan hat er das zusammen mit Ron Boots, ihr neues Album 'Juxtaposition' wurde an diesem Abend vorgestellt. John Kerr hat in der Vergangenheit einige echte EM-Klassiker kreiert, man durfte also wirklich auf das gespannt sein, was John Kerr und Ron Boots für diesem Abend ausgeheckt hatten.

Über 300 zahlende Gäste waren der gleichen Meinung - das Bochumer Rund war bereits einen Monat vorher ausverkauft, kurzfristig Entschlossene mussten am Abend auf zurückgegebene oder nicht abgeholte Karten hoffen.  Die musikalische Kooperation von John Kerr und Ron Boots in den letzten Monaten muss außerordentlich fruchtbar gewesen sein, jeder der Besucher bekam kostenlos eine CD 'The Bochum Bonus' mit Titeln, die es nicht auf 'Juxtaposition' geschafft hatten.  Ron betonte, dass es sich dabei keinesfalls um zweitklassiges Material handelt - die Spieldauer einer CD ist einfach begrenzt und einige Titel passten nicht so ganz zur Gesamt-Zusammenstellung.

Der Titel 'Juxtaposition' ist nämlich nicht ohne Grund gewählt worden.  John Kerr's Stil ist eher orchestral und manchmal fast symphonisch, während Ron eher der klassischen Elekronik anhängt.  'Juxtaposition', also eine vergleichende Gegenüberstellung, bedeutet, dass die Stücke auf der CD weniger eine Melange der beiden Musikstile darstellen, sondern dass einzelne Titel klar von einem Stil dominiert werden, ergänzt und vervollständigt durch den anderen.  Diese beiden Teile sind aber immer klar zu erkennen.  Ron hat dies mit Öl und Wasser verglichen, zwei Substanzen, die man zwar (zeitweilig) verrühren kann, aber auch in ihrer Mischung immer noch klar unterscheiden kann. Diese Metapher spiegelt sich auch im Cover von 'Juxtaposition' wider.

Diese Veröffentlichung ist zudem noch Anlass, ein Jubiläum zu feiern: vor 25 Jahren erschien 'Offshore Islands' von Boots & Kerr, ein echter Klassiker der elektronischen Musik.  '25 Jahre Offshore Islands' war denn auch der Untertitel der Veranstaltung.  John Kerr hatte sich zu diesem Anlass extra ein Paar silberner Schuhe besorgt!

Das Konzert wurde selbstverständlich von den Titeln auf 'Juxtaposition' und der Bonus-CD dominiert.  Den Anfang machten zwei Titel, die ganz klar aus John's Feder stammen - symphonisch, machtvoll, beinahe majestätische Klänge. Ein großes Lob an dieser Stelle auch an Klaus-Dieter Unger, der es verstand, zum jeweiligen Titel passende Projektionen an die Kuppel zu zaubern.  Zu Johns Musikstil konnte man einfach den langsam vorbei ziehenden Sternenhimmel auf sich wirken lassen, während zu den von Ron geschriebenen Stücken auch dynamische Animationen passten.

Neben neuen Titeln bekam man natürlich auch ein paar Klassiker zu hören, zum Beispiel 'Acoustic Shadows' von Ron Boots oder eine Variation von 'Oceans of Emotions'.  Für einzelne Stücke holte sich Ron noch Frank Dorittke und Jeffrey 'Synthex' Haster auf die Bühne.  Letzterer hat neben John Dyson übrigens auch zu einem der Titel auf 'Juxtaposition' beigetragen.  Harold van der Heijden steuerte die ganze Zeit - wo gebraucht - sein Schlagzeug bei.

Das Konzert wurde von einer Pause unterbrochen, in der man sich wie bei Schallwende-Veranstaltungen im Planetarium üblich mit Laugenbrezeln versorgen konnte.  Am Ende der zweiten Hälfte bekamen die Künstler Standing Ovations und wurden (natürlich) nicht ohne eine Zugabe von der Bühne gelassen.  Diese Zugabe war gleichzeitig emotionaler Höhepunkt des Auftritts, war sie doch von Johns Nahtoderfahrung vor ein paar Jahren inspiriert.

Alles in allem wurde John Kerrs Versprechen anlässlich einiger technischer Probleme am Anfang - ein Konzert, das man nicht vergessen wird - voll und ganz eingelöst, und zwar im positivsten Sinne.  Eine sehr gelungene Veranstaltung, die das EM-Jahr 2015 abrundet und einen Ausblick auf 2016 gewährte.  Sylvia Sommerfeld ließ es sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, daß 'Schwingungen am Wasserfall' eine Fortsetzung in 2016 finden wird.  Wem es 2015 in Windeck gefallen hat, der kann sich schon einmal das (lange) Wochenende vom 2. bis 4. September vormerken.

Alfred Arnold

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