Das Jahr 2018 ist gerade einmal sechs Tage alt, das letzte EM-Event des alten Jahres liegt gerade einmal eine Woche zurück, und schon ist es wieder Zeit, sich auf den Weg zu machen. Nicht jedes Jahr, aber öfters, lädt Ron Boots, der ansonsten den E-Day und E-Live in Oirschot organisiert, auch zu einem Konzert ganz zu Anfang des Jahres ein. Letztes Jahr hatte er zum Beispiel Picture Palace music in "De Enck" zu Gast. Für das diesjährige Neujahrs-Konzert hat er das "'t Tejaterke" in Best gebucht, ein Kulturzentrum quasi direkt bei ihm zu Hause um die Ecke. Der Saal bietet zwar nur etwa halb so vielen Zuschauern Platz wie in Oirschot, dafür ist diese Location auch wesentlich günstiger zu haben. So kann man auch einmal Musikern eine Bühne bieten, die (bisher) nicht für eine dreistellige Zahl von Zuschauern garantieren können.
Mit David Wright & Carys hat Ron dieses (Neu)jahr aber einen Act eingeladen, der durchaus eingeführt ist. Man konnte die beiden im letzten Jahr zum Beispiel in Repelen, auf E-Live oder bei Winnie im Garten sehen. Und keine Sorge, es soll kein Programm laufen, das man bereits zwei- oder dreimal gehört hat. Für die zweite Hälfte des Konzerts will sich Ron selber auf der Bühne dazugesellen. Dazu eingeladen sind auch noch Stephen Whitlan und Frank Dorittke, also beinahe das Quartett, das wir vor einer Woche in Bochum gesehen haben. Man darf gespannt sein, was sich daraus ergibt.
Ein Event mit mur zwei Blöcken braucht nicht am frühen Nachmittag anzufangen, es war angekündigt, dass die Türen ab 18 Uhr geöffnet sein sollen. Der Weg nach Best ist fast der gleiche wie nach Oirschot, man muss lediglich eine Abfahrt früher herunter von der Autobahn, also eine gute Stunde von Aachen aus mit den Auto. Das ist mein zweiter Besuch beim "'t Tejaterke", und vielleicht liegt es an der Erinnerung an das üble Regenwetter beim ersten Mal, dass wir uns noch ein gutes Stück früher auf den Weg machen. Jedenfalls ist es deutlich vor 18 Uhr, als wir in Best ankommen. Das sichert uns einen der wenigen Parkplätze direkt vor dem Gebäude. Es ist auch bereits geöffnet, wir müssen nicht draußen warten. Die Tür zum Saal selber ist natürlich noch geschlossen, dort wird noch geprobt, und was durch die Tür ins Foyer klingt, verspricht einen kurzweiligen Abend.
Das Foyer selber ist noch weihnachtlich geschmückt, den Christbaum und diverse andere Dekorationen hat man noch nicht weggeräumt. Für die Besucher stehen am CD-Stand von Groove zwei Kisten bereit, aus denen man sich eine kostenlose CD aussuchen darf. Ich entscheide mich für eine Sampler-CD von AD Music.
Das Foyer hat auch eine kleine Bar, an der man zwar nicht wie in Oirschot Fritten und Frikandeln bekommt, aber immerhin Getränke und etwas zum Knabbern. Wer noch größeren Hunger hat, der bekommt den Weg zu einer Imbissbude um die Ecke gezeigt.
So früh wie wir gekommen sind, ist es um diese Zeit im Foyer noch recht leer, die traurige Erkenntnis ist aber, dass es an diesem Abend nicht viel voller werden wird. Nur knapp 30 Besucher wollen sehen, was für Musik entsteht, wenn David Wright, Ron Boots und einige mehr sich auf einer Bühne treffen. Woran es nun gelegen hat - am Termin, dem Programm, oder etwas anderem - darüber kann man jetzt mutmaßen, aber das soll nicht Gegenstand dieses Berichts sein. Ein Professor hat während meines Studiums einmal gesagt, "tres faciunt collegium", und der Vortragende dürfte sich zur Not auch dazurechnen. Diese Zahl haben wir bequem überschritten!
Ron Boots nimmt den geringen Zuspruch in seiner Ankündigung mit Humor und erklärt noch einmal kurz den "Fahrplan" für den Abend. Wie schon erwähnt, bestreiten David Wright und Carys den Teil bis zur Pause solo. Das fällt ihnen gar nicht so leicht, sind sie doch sichtlich erkältet und stehen mit Tee und Hustensaft auf der Bühne. Ein gehässiger Kommentar aus dem Publikum dazu: Gut, dass wir etwas Abstand haben ...
Es ist gut, dass der sprichwörtliche britische Humor auch in solchen Situationen nicht versagt. Carys verspricht, dass dies das beste Konzert des bisherigen Jahres werden wird, und dass der Husten sie nicht beim Singen behindern wird.
Das tut er dann auch nicht, und trotz eines Keyboards, das sich mittendrin wohl auch noch angesteckt hat und nur noch heisere Töne von sich gibt, gelingt den beiden ein respektabler Auftritt, der neben (fast) allen Titeln der "Prophecy" auch noch einige Tracks anderer Alben beinhaltet. Nur zwischen den Songs muss sich Carys immer wieder eine kleine "Coffee Break" nehmen, um ihre Stimme zu schmieren.
Die halbstündige Pause bis zum zweiten Teil nutzt Ron, um die Heizung im Saal etwas höher zu drehen. Einige fanden es während der ersten Hälfte etwas frisch und hatten sich ihre Jacken von der Garderobe geholt. Jetzt steht die Heizung auf 22 Grad und die Jacken können draußen am Haken bleiben. David Wright eröffnet mit einem "Thank you for staying!" und holt sich für den ersten Track Frank Dorittke auf die Bühne. Dessen Konzept: der wiegende Rhythmus, den David in vielen seiner Titel nutzt, dient als Basis, auf der Frank sich "austoben" kann. Nicht ohne Grund wird Frank Dorittke ja gelegentlich als der beste Mike Oldfield neben Mike Oldfield bezeichnet. Er zaubert ein Solo von fast zehn Minuten hin, das alleine schon den Besuch wert gewesen wäre - daran kann auch der eine Jupiter nichts ändern, der wieder herumzickt.
Das war schon einmal ein klasse Einstieg, jetzt kommen auch noch Carys (mit einer wieder gefüllten Teetasse), Ron und Stephen dazu. Ron setzt gleich im ersten Titel (ein Track von Code Indigo) mit ein paar wuchtigen Bässen Akzente. Auch "Walking with Ghosts", das als nächstes folgt, klingt in dieser Besetzung gänzlich anders, schon fast orchestral. Während der ganzen zweite Hälfte läuft übrigens ein Recorder mit, wer heute nicht dabei war, hat also vielleicht doch noch die Gelegenheit, irgendwann den zweiten Teil "aus der Konserve" zu hören. Das Erlebnis ist natürlich nicht das gleiche, kann eine CD doch nicht die Stimmung zwischen den Musikern auf der Bühne einfangen. Die erreicht im folgenden Titel ihren Höhepunkt: eine ganz simple Basis, und darüber eine Viertelstunde einfach nur pure Spielfreude, Spaß und Unfug. Ron wird von Carys 'verkleidet', Stephen schnappt sich eine Keytar und wandert auf der Bühne herum - interessiert es noch irgendjemanden, dass so wenige Zuschauer da sind?
So ist die Frage "One More?" danach auch eine rein rhetorische. Wer an diesem Abend da war, der hat ihn auf wundervolle Weise verbracht und wer nicht da war - der hat einen vielleicht einzigartigen Auftritt einfach nur verpasst. Wünschen wir Ron, dass sein nächstes Konzert im "'t Tejaterke" im Mai (dann mit John Kerr) mehr Zuspruch erfahren wird. Es wäre ein Verlust, wenn solche Konzerte in Zukunft nicht mehr zustande kämen.
Alfred Arnold