Unlängst hatte ich in einem anderem Bericht erwähnt, nach wie vielen oder wenigen Neuauflagen ein Event im Rheinland angeblich zur Tradition oder gar zum Brauchtum wird. Nun liegt Borgholzhausen, seit 2022 der Standort der Electronic Circus Summer Edition, nicht direkt in diesem Teil Nordrhein-Westfalens. Ein gewisses Maß an Tradition mag man aber vielleicht daran ablesen, dass nach der Anmeldung nachgefragt wurde, ob man noch eine Wegbeschreibung bräuchte. Die ist bei mir nicht vonnöten, den Weg kenne ich aus den Vorjahren: Vom Westzipfel Deutschlands auf der A4 bis nach Köln, dort nordwärts bis zum berüchtigten Kamener Kreuz, auf der A2 etwa bis zu der Stadt, die es gar nicht gibt, und dann noch ein paar Kilometer in Richtung Osnabrück - dort liegt Borgholzhausen. Ab der Abfahrt von der Bundesstrasse weisen aufgehängte Hinweis-Zettel den Weg zum Hof und zum Parkplatz.
Was dieses Mal anders ist: Am Silo wird man nicht direkt vom 'Einweiser' Walter Adam begrüßt. Für Walter ist es heute ein besonderer Tag (dazu später mehr), und er darf es etwas lockerer und großzügiger angehen lassen. So ist für mich als 'Frühankommer' noch ein Parkplatz direkt auf dem Hof drin. Es ist noch eher ruhig, aber das bleibt nicht lange so. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich 20 Besucher mehr angemeldet, und das merkt man daran, wie schnell sich der Hof in der nächsten Stunde mit ihnen füllt. Einige haben sich eigene Sitzgelegenheiten mitgebracht, für den Rest werden noch ein paar weitere Bänke im 'Konzertsaal' bereit gestellt. Dessen Bühnen-Bereich ist mit Keyboards, Mischpulten und Modularen randvoll gestellt. Ein kurzes Durchzählen der 'Arbeitsplätze' ergibt, dass auch während des Tages noch umgebaut werden muss. Immerhin sind für diesen Samstag fünf Acts angekündigt.
Das erste Konzert des Tages beginnt aber erst um 14 Uhr, da ist noch Zeit, einen Happen zu essen. Just-in-time wird dafür der Grill angeheizt und mit Würstchen und Steaks bestückt. Deren Duft lockt nicht nur Zweibeiner an: Die schwarze Katze auf dem Dach macht den Eindruck, als wäre auch sie einem Stück gegrillten Fleisches nicht abgeneigt. Leider keine Chance: Die werden wie sonst auch nur gegen harte Plastik-Währung ausgegeben, von denen man am besten gleich bei der Registrierung einen Vorrat erwirbt. Beilagen in Form von Salaten sind drinnen an der Theke erhältlich, und an gleichem Ort kann das Einweggeschirr zurück gegeben werden. Auch in Borgholzhausen halten mittlerweile Mülltrennung und -Vermeidung Einzug. In Gedanken gebe ich mir Klaps dafür, keinen eigenen Teller samt Besteck eingepackt zu haben. Bei anderen Grillfesten ist das ja mittlerweile gang und gäbe.
Genug geschrieben vom Essen, wir sind ja wegen der Musik hierher gekommen! Pünktlich um 14 Uhr greift Frank Gerber zum Mikro und geht noch kurz auf den Toilettenwagen ein: In dessen Umgebung soll ein Wespennest gesichtet worden sein, also Obacht! Wir sind hier halt auf dem Lande, es wurde heute morgen auch schon eine Hornisse gesehen. Sowohl Wespen als auch Hornissen sind aber meist friedlich, solange man sie nicht reizt. Und vielleicht gefällt ihnen ja auch die Musik des ersten Acts:
Roman Ridder aus Düsseldorf ist Vielen sicher noch nicht bekannt, aber ein unbeschriebenes Blatt ist er ganz und gar nicht. Er hatte es vor zwei Jahren bereits auf die Nominierten-Liste der Schallwelle-Preise geschafft, und hat sich stilistisch weiter in Richtung Berliner Schule und Ambient entwickelt. Was mich persönlich an Roman beeindruckt: Wie er es schafft, darin weiterhin seine Rhythmen einzubetten, ohne dass sie den Rest 'erschlagen'. Das zeigt er auch in diesem Konzert vom Start weg: Ein schon fast feierlicher Einstieg, auf jeden Fall schön warm. Die Wärme kann man auch gut gebrauchen. Petrus hält sich heute war zurück, aber die Temperaturen sind doch eher mässig-frisch.
Schöne Melodien und Sequenzen tragen uns hinfort, und Roman ist darauf bedacht, keine harten Schnitte zwischen den Titels zu machen. Behutsam kommen im zweiten Titel die Rhythmen dazu, die man von ihm kennt, und Roman strahlt dabei eine Entspanntheit und Souveränität aus, die man eher von viel erfahrenen Bühnen-Profis erwartet hätte. In Titel Nummer drei wird es filmisch: Der Spannungsbogen baut sich auf, die Musik gibt noch einmal Gas. Und dabei war das alles nur ein Vorspiel für das, was jetzt folgt: Track Nummer vier ist mit fast einer halben Stunde ein Konzert im Konzert für sich, und zelebriert Romans Stil über verschiedene Stimmungen und Tempi hinweg.
Zum Abschluss legt Roman noch einmal mit einem tanzbaren 'Rausschmeisser' nach. Der hat auf das Publikum aber eher die gegenteilige Wirkung: Das geht noch etwas, es ist an der Zeit für die erste Zugabe des Tages! In der wird das Tempo dann wieder ein oder zwei Stufen zurück gefahren: ein wenig dunkel, lässig und atmosphärisch geht das erste Konzert des Tages zu Ende. Roman Ridder wird mit Sicherheit dafür einige neue Fans gewonnen haben.
Auch wenn der Setup für den nächsten Act bereits aufgebaut und getestet ist, eine kleine Pause bis dahin ist willkommen. Zum einen wäre es jetzt an der Zeit für das erste Stück Kuchen, und zum anderen ist noch der Rundgang an den CD-Ständen nachzuholen. Da am späteren Abend noch Kontroll-Raum spielen werden, ist natürlich Mario Schönwälder mit seinem Manikin-Label vor Ort. Gleich daneben kann Kilian mit dem Syngate-Label eine Reihe Neuerscheinungen präsentieren. Auch immer ein gern gesehener Gast, und rühriger Aktivposten in der Szene: Lambert, der nicht nur CDs seines eigenen Labels 'Spheric Music' im Angebot hat.
Nicht vergessen werden sollten auch die Musiker, die sich für einen eigenen Stand nach Borgholzhausen aufgemacht haben, obwohl sie heute nicht live spielen: Für die Mitglieder der Elektronischen Maschine war der Weg aus Rotterdam wohl der weiteste gewesen sein. Mit einem Nachfolger von 'Live goes on' dürfte es noch etwas dauern. Dafür sind jetzt die dazu passenden T-Shirts erhältlich, und erfreulicherweise ist auch noch eines in meiner Größe zu haben. Gegenüber hat wieder Stephen Parsick seinen Stand. Stephen sieht man ansonsten eher selten auf Events, ebenso wie Volker Flottmann, der daneben die neuesten Projekt Gamma-Alben mitgebracht hat. Last but not Least: Ansgar Stock, dessen Begeisterung für elektronische Musik immer noch vorhanden ist und der sich kontinuierlich weiter entwickelt.
Eigentlich ist das alles zu viel für eine Pause, aber diese war ja gerade einmal die erste. Drinnen macht man sich schon für das zweite Konzert bereit. Von Deutschland geht es nach Belgien, der Heimat von Joost Egelie. Unter seinem Projektnamen 'Sensory++' hat er bereits einige Alben veröffentlicht, dieser Live-Auftritt wird jetzt aber gerade erst sein zweiter sein - es ist doch immer noch ein großer Schritt aus dem eigenen Studio auf die Bühne.
Stilistisch orientiert Joost sich an den 80ern, angereichert mit modernen Sounds, um das Ergebnis auf eine neue Empfindungsebene zu heben. Ach ja, und noch eine Kleinigkeit: Joost hat heute Geburtstag! So ist es erst einmal Zeit für ein "Happy Birthday" vom ganzen Saal, bis wir uns seinen Klangschaften hingeben können.
'Klangwelten' ist in diesem Fall eine passende Umschreibung, denn bei Sensory++ kann man ganz und gar in solche eintauchen - sie sind weiträumig, atmosphärisch, und absolut entschleunigend. Mit den Sequenzen reichen sie noch ein gutes Stück in die 70er zurück. Auch die stellenweise eingesetzte Gitarre muss sich dieser Maxime einordnen: Ganz sachte und sanft ergänzt sie die Elektronik, so wie man es zum Beispiel von Erik Wøllo kennt. Das ist eine EM, in die man ganz und gar versinken kann, und ein schöner Gegenpol zum ersten Konzert.
Das bedeutet aber nicht, dass Joosts Musik in eine ambiente Belanglosigkeit abdriften würde. Behutsam, aber doch merklich wird der Sound immer dichter und voluminöser, um nach dem Höhepunkt wieder das Tempo herunterzufahren, und wieder zu dem Punkt zurück zu kehren, von wo begonnen wurde. Alleine eine solche 'Punktlandung' hinzulegen, zeugt von Joosts Können, und er bekommt dafür seinen wohl verdienten Applaus. Was in diesem Plan nicht ganz vorgesehen war: der nachdrückliche Wunsch nach einer Zugabe. "Ich schaue mal", ist die schlichte Antwort. Wer suchet, der findet, und wir dürfen noch ein wenig weiter schwelgen. Feine Signale, die von ganz weit her zu kommen scheinen, funken dieses Mal in die Sounds hinein.
Dann ist die Reise in ferne Welten aber wirklich vorbei und Frank holt uns mit einer sehr irdischen Ansage wieder ins Hier und Jetzt zurück: Es gibt Eis! Auch wenn es dem einen oder anderen ein wenig 'kindisch' erscheinen mag: Das hat inzwischen auch seine Tradition auf der EC-Party, und man wartet nach jedem Konzert darauf, dass es so weit ist. Das EC-Team hat inzwischen auch ein Gefühl dafür, wie viel davon eingekauft werden muss, so dass es für Alle reicht. Da das Eis frisch aus dem Gefrierfach kommt, gestaltet sich die Portionierung noch ein wenig mühsam, aber die Pause ist lang genug, dass kein Interessent leer ausgeht.
Lang genug ist sie auch, dass der dritte Künstler des Tages aufbauen kann. Umbauten in der Pause unter Zeitdruck bergen immer ein gewisses Risiko, aber das ist überschaubar, wenn es sich dabei um einen so erfahrenen Profi wie Johan Geens handelt. Der hat nicht nur langjährige Praxis als Live-Musiker, sondern auch als Organisator des B-Wave-Festivals.
Johan ist ein vielseitiger Musiker und Sound-Designer und veröffentlicht seine Alben unter verschiedenen Projektnamen, je nach ihrer Ausrichtung. So lotet er zum Beispiel seit einigen Jahren als 'Galactic Underground' die Tiefen des Weltalls und seine majestätische Weite aus. Heute tritt er aber als 'Venja' auf, da darf es gerne auch einmal etwas melodischer zugehen.
Dass auch bei 'Venja' eine ganze Menge 'Galactic' mit drin steckt, zeigt sich gleichwohl beim Einsteiger 'Nebula': Ein großer Raum wird von metallischen Sounds aufgespannt und belebt. Das erwärmt das Universum gleich einige Grade über den absoluten Nullpunkt. Und als ob Johann diesen Weg noch einmal bestätigen wollte, folgt 'Sunrise on Mars' mit Dramatik und Wucht. In den folgenden beiden Titeln bremst Johan sich selber wieder ein wenig ein, als die Flächen und Sequenzen wieder die Oberhand gewinnen. Das ganze wirkt so entspannt und souverän, und man könnte sagen: In der Ruhe liegt die Kraft. Die wird im nächsten Titel offenbar, wenn entfernte Chöre die Sounds ergänzen. Auch Johan selber lässt die Energie dieser Klang-Gebäude nicht unbeeindruckt: Selten sieht man ihn auf der Bühne so bei den eigenen Titeln mitgehen.
In diese Stimmung hinein, enthüllt Johan eine kleine Überraschung: Als Galactic Undergrund hat er vor einigen Jahren auch Aufnahmen zusammen mit Erik Wøllo gemacht. Der ist heute nicht anwesend, so dass sein Gitarren-Part 'aus der Konserve' kommen muss. Aber jemand anders hat sich bereit erklärt, der Life-Version heute eine besondere Note zu geben: Bas Broekhuis setzt sich an seine Drums, die für den Auftritt von 'Kontroll-Raum' schon bereit stehen. Wir erleben zum Finale dieses Auftritts, wie zwei Routiniers auf der Bühne sich auf Anhieb verstehen und ergänzen: Ein sehr schönes und erinnernswertes Finale!
Sagte ich 'Finale'? Naja, auch wenn die Realität dem Zeitplan schon um diverse Minuten hinterher hängt, so will man auch Johan nicht ohne eine Zugabe von der Bühne lassen: Wir bekommen noch zwei weitere Titel aus Venjas reichhaltigem Portfolio, von denen der letzte den passenden Titel 'Leaving' trägt - schöne und warme Flächen tragen uns aus diesem Konzert.
Jetzt stünde nach Plan eigentlich eine große Pause an, die genug Umbauzeit für die verbleibenden beiden Konzerte gibt. Das muss aber noch ein paar Minuten warten, denn jetzt hat ein Mitglied des EC-Teams seinen großen Auftritt, das ansonsten eher im Hintergrund wirkt: Walter sorgt - wie eingangs schon erwähnt - zum Beispiel dafür, dass es kein Parkplatz-Chaos gibt. Wie der Zufall so spielt, ist der heutige Samstag aber auch der Tag, an den er seinen sechsundsechzigsten Geburtstag feiern kann. Und wenn schon einmal ein solcher runder Geburtstag ansteht, dann dürfen ausnahmsweise auch einmal nicht-elektronische Klänge den Saal füllen: Zum Udo-Jürgens-Klassiker wird Adam von den Damen des Teams beschenkt. Was er bekommt: Ein Puzzle, das die 'Route 66' als Thema hat, sowie ein Motorrad. Udo Jürgens singt ja davon, dass man sich in diesem Alter gerne noch einmal auf ein solches schwingen und durch die Landschaft cruisen darf. And one more thing: Ein Gutschein für eine Party ist auch noch dabei! Es dürfte nur schwierig werden, die heutige 'Geburtstagsparty' zu toppen...
...auf der natürlich weiterhin die Grills in Betrieb sind und übrigens nicht nur für die Liebhaber gegrilltem Fleisches etwas bereit halten - auch an die Vegetarier unter den Besuchern hat das EC-Team gedacht und leckere Spiesse im Angebot.
Vielfalt ist für das Team um Frank und Hans-Hermann aber schon seit jeher nicht nur beim Essen, sondern vor allen Dingen bei der Musik Trumpf. Bereits im letzten Jahr hatten sie mit Fabian Laute ihre Fühler in Richtung modernerer EM-Strömungen ausgestreckt. Das wurde von der Hörerschaft überwiegend positiv aufgenommen, und so sind sie dieses Jahr noch einen Schritt mutiger geworden: Als wir nach der großen Pause In den Saal zurück kehren, sind die Keyboard-Burgen der ersten drei Acts verschwunden, stattdessen findet sich auf einem Tisch ein Setup, das man eher bei einem DJ vermuten würde. Und in der Tat: Daniel Stegen aka "Master D." wird in den folgenden Stunde weniger den Kopf, als die (Tanz-)Beine ansprechen. Passend dazu ist jetzt auch in einer Ecke Platz im Saal, um dem Bewegungsdrang freien Lauf zu lassen.
Daniels Performance wie die ersten drei Konzerte in einer 'Titel-für-Titel' Weise zu beschreiben, das hätte bei einem Techno/House-Act wie 'Master D.' keinen großen Sinn. Hier steht die durchgängige Stimmung im Vordergrund, mit einer bestimmten Zahl von 'Beats per Minute' als Vorgabe. Auf der Basis wird dann immer mal wieder eine Linie hinzu und wieder weg genommen, so dass 'heissere' Phasen sich mit chilligeren abwechseln, und das bewegungswillige Publikum auch einmal einen Moment zum Verschnaufen findet. Wie man das macht, führt Daniel volle 60 Minuten vor, und das Angebot zum Abtanzen bleibt nicht unerwidert: Die freie Fläche im Saal füllt sich mit einem knappen Dutzend Tanzwilliger, die auch die meiste Zeit durchhalten - wie auch an anderer Stelle häufig zu beobachten, sind es vor allem die Damen, die sich anstecken lassen...
Kurzweilig ist dieser Act - gerade wenn man so richtig in Fahrt gekommen ist, ist die Stunde auch schon vorüber. Wollen wir den Daniel jetzt schon gehen lassen? Auch hier ist die Frage eine eher rhetorische, und so darf Daniel die Regler an seinem Mischpult für ein paar Minuten wieder hochziehen, bis der Borgholzhausener Dance-Floor für heute geschlossen wird.
Zugegeben: Nicht alle Besucher der Party können sich für solche Klänge erwärmen, und haben die Zeit stattdessen für einen Spaziergang in der Umgebung genutzt. Der ist aber hoffentlich jetzt abgeschlossen und sie sind wieder da. Denn der letzte Act und Höhepunkt des Tages wird ein absoluter Leckerbissen für die Fans klassischer EM und der Berliner Schule:
Als 'Kontroll-Raum' spielen Mario Schönwälder, Frank Rothe und Bas Broekhuis seit 2019 zusammen, dies ist also noch ein recht junges Projekt aus dem 'Manikin-Universum', das es neben diversten Live-Auftritten bisher auf zwei Alben-Veröffentlichungen gebracht hat. Frank Gerber verrät uns, dass Nummer drei den (vermutlichen) Titel 'Gateway 24' tragen wird. Es ist zwar schon recht weit gediehen, aber noch nicht fertig - auf dem Tischchen neben Mario liegen nur die beiden Vorgänger zum Verkauf aus. Das Trio ist aber doch schon so weit, dass man man heute den einen oder anderen Titel daraus zu Gehör bekommen wird.
Den Einstieg macht aber erst mal ein alter Bekannter, nämlich 'The Runaway' von der 'Gateway 23': Dunkel und ein wenig bedrohlich, müssen die Sounds sich erst einmal sortieren, damit das 'Betriebstempo' erreicht wird - bei 'Kontroll-Raum' mischt sich die klassische Berliner Schule der 70er mit den Rhythmen von Bas. Das letzte Konzert des Tages ist auf anderthalb Stunden geplant, also haben wir ruhig ein wenig Zeit für den Spannungsaufbau.
Wie ansonsten auch, nimmt sich Mario zwischen den Titeln immer einen Moment Zeit, um etwas zur Entstehungsgeschichte des folgenden Stücks zu erzählen. So auch zu 'Auf dem Land', das auf dem kommenden Album zu finden sein wird: Bas lebt bekanntermaßen auf selbigem, genauer gesagt auf einem Bauernhof. Da gibt es so einiges Getier, das die verschiedensten Geräusche von sich gibt. Ob die drei deswegen so viel Equipment mitgebracht haben? Im Gegensatz zum 'Novilla' in Berlin, wo sie sich alle ein wenig einschränken mussten, hat hier jeder sein eigenes Modular-(Doppel-)Rack dabei. Auch wenn auf dem Land früh aufgestanden wird, so verläuft es doch in eher gemäßigten und entspannten Bahnen - und das spiegelt sich in 'Auf dem Land' wieder.
Titel Nummer drei ist wieder ein bereits veröffentlichter: 'It All Starts With The Second Step' stammt ebenfalls von der 'Gate 23', und der (Auf-)Tritt hinterlässt einen bleibenden Eindruck, als Bas zum ersten Mal so richtig mit den Drumsticks wirbelt. Falls noch nicht klar war, wo Bas den Unterschied zwischen 'Filter-Kaffee' und 'Kontroll-Raum' ausmacht - hier ist er überdeutlich zu hören.
Um im Wechsel-Rhythmus zu bleiben, folgt wiederum ein Ausblick auf das zukünftige Album. Wie sehen die drei sich eigentlich selber? 'Kontroll-Raum' ist ja schon einmal in Laborkitteln aufgetreten, und man sieht das Studio so ein wenig als Sound-Labor, in dem die Synthesizer mit ihren schier unbegrenzten Möglichkeiten erforscht werden. Frank Rothe ist dabei neulich auf ein paar besonders überraschende Sounds gestoßen, um die herum der Titel 'Das Laboratorium' gebaut wurde. Also übernimmt Frank für die folgenden Minuten die Führung, und was er aus seinem Modularsystem heraus holt, ist in der Tat alles andere als konventionell: Glocken, alles ein klein wenig gruselig, da kommen natürlich Assoziationen an das Labor eines gewissen Herrn Frankenstein hoch. Frank, Mario und Bas behalten aber die Kontrolle über ihre Schöpfung, die keine Chance hat, irgendwelche monströsen Züge zu entwickeln. Der Name 'Kontroll-Raum' ist hier Programm.
Wieder zurück zu einem bekannten Track? Ja gerne, spielen wir mal 'The Impossible Groove'. Unmöglich ist für die drei hier nichts, der Groove reißt Mario nur derartig mit, dass ihm das Mikrofon von Tisch fällt - "manchmal gehense mit einem durch", ist der von einem Grinsen begleitete Kommentar im Anschluss.
Nachdem Frank sein kleines Solo hatte, wäre jetzt Bas mit einem von ihm kreierten Track an der Reihe. Der Titel 'Runway 24' spielt auf den Flughafen Kathmandu an, der als einer der gefährlichsten der Welt gilt: Die Runway ist quasi in den Hang hinein gebaut. Wer es nicht schafft, bis zu deren Ende genug Geschwindigkeit aufzubauen, stürzt den Berg hinunter, und wer umgekehrt sein Fluggerät nicht auf der Runway zum Stehen bekommt, landet nicht im Acker, sondern vor einer soliden Felswand. Jeder Start und jede Landung ist also ein kleines Abenteuer, und entsprechen dramatisch kommt 'Runway 24' daher: schon fast poppig und funkig wird es, wenn Bas die Kontrolle übernimmt. Das Trio gibt noch einmal alles, denn dies ist auch schon das Finale des Auftritts. Bei einer für die Berliner Schule standesgemäßen Titel-Länge können anderthalb Stunden eben schon nach sechs Titeln herum sein.
Große Verbeugung und Umarmung, und gegenseitige Vorstellung beschließen das Konzert, wie man es von den 'Manikins' kennt. Und natürlich ist auch hier noch ein Bonus drin: "Wir haben eine Zugabe". Dafür geht es noch einmal in den Norden der Niederlande, wo Bas sein Studio auf einem Bauernhof betreibt. Und was findet man auf einem Hof so an Tieren? 'Dogs, Sheep and Cats'! Noch einmal holt 'Kontroll-Raum' alles aus ihrem Equipment heraus und beschließen den heutigen Abend auf furiose Weise.
Die abschließenden Worte kommen natürlich von Frank Gerber, der uns bereits den ganzen Tag so kongenial durch den Tag geführt hat. Der nächste Termin ist natürlich der 'große' Electronic Circus. Dafür hat man eine neue Lokation gefunden: Zum ersten Mal hat man eine Kirche buchen können, und Thorsten Quaeschning als Haupt-Act wird sicher das richtige Material finden, um das Kirchenschiff zum Beben zu bringen.
Wie es sich für einen Circus gehört, wird der EC also seine Zelte dieses Jahr an einem neuen Ort aufschlagen. Bei der Party ist hingegen Kontinuität angesagt: Für 2025 ist eben dieser Hof in Borgholzhausen bereits gebucht. So werde ich auch im kommenden Sommer wieder keine Wegbeschreibung benötigen: Man weiß mittlerweile, wo der Hof liegt, auf dem prima Konzerte mit leckerem Essen und anregenden Kontakten einhergehen. Man sieht und hört sich, spätestens im Sommer 2025!
Alfred Arnold