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Kleine Kuppel, große Show: Naviara im Planetarium Recklinghausen

In unserem Land gibt es viele Planetarien - nicht nur große wie zum Beispiel in Bochum, Hamburg oder Münster, sondern auch zahlreiche kleinere Kuppeln, in denen eine zweistellige Zahl an Besuchern virtuell zu den Sternen reisen kann. Was an absoluter High-Tech hier vielleicht nicht vorhanden ist, wird durch die intime Atmosphäre des Ortes wett gemacht.

Planetarium Recklinghausen

Eines dieser kleineren Planetarien steht in Recklinghausen, und mehrere Male habe ich auch dort bereits eine Show genießen dürfen, die Musik mit Bildern von Planeten und Sternen verbindet. Indes: In den letzten Jahren war es ein wenig bei mir aus dem Fokus gerutscht. Das änderte sich eine knappe Woche nach der Schallwelle-Preisverleihung: Per Chat kam eine Anfrage von Vera van Bergh herein. Sie würden im Planetarium Recklinghausen demnächst eine Show machen, ob ich vielleicht Lust hätte?

Den Namen kannte ich doch? Richtig, Vera ist die ein Hälfte des Duos 'Naviara', welches - ebenfalls in Recklinghausen - schon einige Male die 'Sternentraumreise' aufgeführt hatte, zusammen mit Torsten Abel und Martin Rohleder. Dieses Mal also 'Naviara pur', und der Titel der Show lautete 'Der Klang der Sterne'. Natürlich wollte ich kommen!

Der Termin für die Show ist ein Freitag, also empfiehlt sich eine rechtzeitige Abfahrt, um nicht 'Rush-Hour-bedingt' zu spät zu kommen. Die Fahrt über die Autobahnen im Ruhrgebiet geht aber problemloser als gedacht, so dass noch eine gute Stunde Zeit bis zum Einlass ist. Also ist noch etwas Zeit, sich einmal umzusehen: Was hat sich in den Jahren in der Umgebung verändert oder ist gleich geblieben?

Die Adresse 'Stadtgarten 6' ist wörtlich zu nehmen. Die Sternwarte Recklinghausen, zu der das Planetarium gehört, liegt inmitten eines Parkgeländes. Vom Parkplatz an der Straße führt ein Weg vorbei an einem Tennisclub bis zur Hausnummer sechs. Vom Gelände des Tenniclubs schallen monotone Techno-Rhythmen herüber. Die Temperaturen sind frühlingshaft und kratzen an der 20 Grad-Marke, das wird dort wohl ausgenutzt. Gleich im Planetarium werde ich aber (hoffentlich) andere Klänge hören...

...also schnell weiter zur Sternwarte. Die präsentiert sich unerwartet, nämlich in ein Baugerüst eingehüllt. Auch ein Denkmal braucht gelegentliche Pflege und Sanierung, und es ist gut, dass das Geld dafür vorhanden ist. Gleich wie damals sind die verschiedenen Geräte, mit denen Besucher selber kleine physikalische Experimente machen können: Lichbrechung, Schallbündelung, die Sonne anpeilen...für die kleinen Besucher ist ein Klettergerüst in Kuppelform neu dazu gekommen. Ob man dort auch einen Projektor hinein stellen könnte? Im Schaukasten finden sich neben dem Plakat der heutigen Show auch noch ein paar astronomische Termine. Am gestrigen Tag war zum Beispiel Frühlings-Anfang und damit die Tages- und Nachtgleiche.

Nach und nach treffen weitere Besucher ein, und kurz vor sieben Uhr öffnet sich wie angekündigt die Tür für sie. Einige haben ihr Ticket schon im voraus reserviert, aber auch für kurz Entschlossene sind noch Karten da. Direkt neben dem Zugang zum Kuppelraum befindet sich der vor ein paar Jahren fertig gestellte Anbau mit Vortragsraum.  Dessen Rednerpult wird heute unbenutzt bleiben - heute steht eine eher poetische als wissenschaftliche Betrachtung der Sterne auf dem Programm. Aber natürlich darf man sich die Zeit bis zum Beginn der Vorstellung auch noch ein wenig an den interaktiven Exponaten vertreiben.

Als ich das Kuppelrund betrete, wird mir wieder bewusst, wie klein und intim dieses Planetarium doch ist. Man fühlt sich beinahe wie im eigenen Wohnzimmer, wo jemand eine geschrumpfte Ausgabe eines Sternenprojektors aufgestellt hat. Und in der Tat, dieser Projektor hört auf die Bezeichnung 'ZKP 2', also ausgeschrieben ein 'Klein-Planetarium'. Er ist aber beileibe kein Spielzeug und genauso wie seine größeren Brüder in der Lage, ein realistisches und vollständiges Bild des Sternenhimmels an die Kuppel zu projizieren.

Was bei dieser Gelegenheit auffällt: So eine Kuppel hat durchaus nicht nur optische Eigenschaften, sie reflektiert und bündelt auch Schallwellen.  Was auf der gegenüber liegenden Seite des Raumes gesprochen wird, kann man so klar hören, als würde die andere Person direkt neben einem sitzen. Die Gespräche verstummen natürlich, als die Zeichen für einen Beginn der Vorstellung sich mehren: Die Tür wird geschlossen, und ein Mitarbeiter der Sternwarte begrüßt die Besucher, um dann das Wort an Vera und Sebastian weiter zu reichen. Uns erwartet heute eine Show mit Songs, die Naviara über die letzten Jahre komponiert haben, eingebettet in eine Geschichte, die den Bezug zu den Sternen herstellt. Also bitte zurück lehnen und einfach genießen!

Wie es sich für ein Planetarium gehört, wird es jetzt richtig dunkel, sonst kommen die Projektionen an der Kuppel nicht zur Wirkung. Auch Vera und Sebastian haben ihre Instrumente so weit als möglich abgedeckt. Ein instrumentaler Einstieg, getragen von dunklen Flächen, bringt uns in die passende Stimmung für das erste Kapitel der Geschichte: Die Erzählerin ist auf dem Weg nach Hause, durch das Getümmel der Stadt, als sie von einem älteren Herrn angesprochen wird. Er trägt einen abgenutzten Mantel, und sieht auf den ersten Blick wie ein Bettler aus. Aber er behautet, ein Bekannter aus der Kindheit zu sein. Aber sie kann sich beim besten Willen nicht an ihn erinnern.

Wir haben ein paar Minuten Zeit, darüber nachzudenken, wer dieser geheimnisvolle alte Mann sein könnte. Auf jedes Kapitel der Geschichte folgen zwei oder drei Titel. Einige davon sind wieder rein instrumental, andere von Veras Stimme getragen. Das Tempo bleibt verträumt-romantisch, bis es an der Zeit für das zweite Kapitel ist.  In diesem verrät der Mann, dass er in der Nacht die Sterne für Kinder aufleuchten lässt, wenn sie nicht schlafen können, und er würde sich auch noch genau an unsere Erzählerin erinnern. Indes: Als Erwachsener glaubt man an solcherlei Dinge natürlich nicht mehr. Und so endet die Begegnung mit einer Spende an den vermeintlich verwirrten Bettler, bevor die Erzählerin weiter nach Hause hastet. Doch irgendwann auf dem Weg kommen die verschütteten Kindheitserinnerungen wieder zu Tage, und sie eilt zu dem Ort der Begegnung zurück. Doch der Mann ist verschwunden...

Natürlich findet die Geschichte im letzten Kapitel noch zu einem guten Ende, aber das soll hier nicht verraten werden. Das kommt für meinen Geschmack viel zu schnell, ich hätte gerne noch etwas länger in diesem 'Sternenwohnzimmer' verweilt und Naviaras Klängen gelauscht. Zwei kurze Zugaben sind noch drin, dann ist der 'Klang der Sterne' vorbei. Es geht an die Nachbereitungen: Sobald Vera und Sebastian abgebaut haben, können auch wieder die Sitze montiert werden, die ihrem Setup für diesen Abend weichen mussten. Naviara wird wieder nach Recklinghausen kommen. Vielleicht in - zwei Jahren? Es ist immer wieder erstaunlich, wie weit im voraus bei solchen Veranstaltungen geplant werden.

Draußen ist es mittlerweile dunkel und man kann den 'echten' Sternenhimmel sehen. Die Nacht ist klar, aber hier in der Stadt sorgt die 'optische Umweltverschmutzung' dafür, dass nur die hellsten Objekte mit bloßem Auge zu erkennen sind. Und nein, ich glaube auch nicht (mehr) daran, dass dort oben ein älterer Mann sitzt und jeden Abend die Lichter für uns anknipst. Aber trotzdem hat der Blick auf die Sterne etwas beruhigendes: Sie strahlen Beständigkeit aus. Sie werden - nach unseren Zeitmaßstäben - immer da sein, und das egal wieviel Unsinn wir Menschen auf diesem Planeten anstellen. Der Dank geht an Vera und Sebastian für die gedankliche Brücke, die sie mir an diesem Abend gebaut haben. Ich freue mich aufs nächste Mal - wann das auch sein wird!

Alfred Arnold

 

Über Empulsiv

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