Wir befinden uns 'zwischen den Feiertagen'. Das letzte Stück Weihnachtsgebäck ist noch nicht vertilgt, aber die Vorbereitungen für die Silvesterfeier laufen schon auf Hochtouren. In diese Zeit fällt das traditionell letzte Event im Kalender des EM-Fans. Mit 'Hello 2025' im Planetarium Bochum verabschiedet der Schallwende-Verein das alte Jahr und begrüßt das neue.
Wie jedes Jahr, ist 'Hello' auch die (fast) letzte Show des Jahres im PlaBo, und die letzte am Silvester-Vortag. So ist es zu dieser Tageszeit schon dunkel, als ich mit dem Auto eintreffe, und der Beginn von 'Hello 2025' noch anderthalb Stunden in der Zukunft liegt. Die Parkplätze an der Lorenz-Rebert-Allee sind seit einiger Zeit gebührenpflichtig, aber es ist bereits spät genug, dass die Parkgroschen in der Geldbörse bleiben können.
Im Foyer ist es recht leer und still, denn die letzte 'reguläre' Show des Tages ist bereits vorüber. So habe ich etwas Zeit, mir anzusehen, wie das Planetarium Bochum auf seine eigene Geschichte zurückblickt. In diesem Jahr, das sich dem Ende zuneigt, konnte es sein 60-jähriges Bestehen feiern. Die Bilderreihe, die den Bau der Betonkuppel dokumentiert, schmückt ja bereits seit einiger Zeit das Foyer. Der Beton hält bis heute und zeigt keine Risse. Hoffentlich bleibt das auch lange noch so! Ein Teil der Glaswände an der Außenseite wird aktuell als Leinwand genutzt. Die gezeigten Videos dokumentieren, wie das Planetarium über die Jahre ein fester Bestandteil der Stadt geworden ist, und dass es nicht nur für Sternen- und Musik-Shows genutzt wird. Unter der Kuppel wurde sich schon öfters das Ja-Wort gegeben, und eine neu aufgehängte Fotoreihe zeigt Bilder einer futuristischen Modenschau aus den 60er-Jahren.
Während es im Foyer noch ruhig ist, wird drinnen im Saal bereits emsig gearbeitet. Für die heutige Show konnte der Schallwende-Verein Wolfram Spyra nach Bochum holen, und mit ihm seine (nicht nur musikalische) Partnerin Roksana Vikaluk. Beide haben deutlich mehr als nur Notebook, DAW und Tablet mitgebracht, und so ist auf der Bühne einiges zu verkabeln und einzujustieren. Noch nicht alles läuft wie geplant, aber es ist ja noch etwas Zeit, und wir lassen sie am besten alles in Ruhe vorbereiten.
Mittlerweile hat Lambert draußen seinen Stand aufgebaut. Musik kaufe ich mittlerweile doch eher digital als Download, aber an Lamberts Stand gibt es mehr als nur Tonträger. Harald Grosskopf hatte auf dem Circus aus seiner Autobiographie 'Monsieur Sequenceur' gelesen, und sie stand bei mir schon seit einer Weile auf dem Einkaufszettel. Lambert sei Dank kann dieser Punkt jetzt abgehakt werden, und etwas Urlaub und damit Zeit für die Lektüre werde ich im neuen Jahr noch haben.
Auch Stefan Erbe hat sich auf den Weg nach Bochum gemacht. Der Nachfolger der 'Genesys 2023' wird zwar erst im kommenden Jahr erscheinen, aber unter den nach und nach eintreffenden Besuchern sind noch reichlich Interessenten für die unlängst erschienene Version auf BlueRay oder USB-Stick. Ein paar Exemplare der 'Retrologica 2024', jedes in einem einzeln 3D-gedruckten CD-Case, sind auch noch verfügbar - solange Vorrat reicht!
Nach und nach wandelt sich die Atmosphäre im Foyer. 'Hello 2025' wird zwar nicht ausverkauft sein, aber doch so gut besucht, dass dichtes Gedränge herrscht. Man muss sich aber beim Einlass nicht um gute Plätze drängen, denn alle Tickets sind Platzkarten. 'PlaBo-Neulingen' wird vom Personal gerne geholfen, welcher Block und Platz sich wo im Saal befindet.
Indes, der Einlass verzögert sich ein wenig: In das Stimmengewirr hinein kommt eine Durchsage von Frau Professor Hüttemeister, dass die Musiker noch ein paar Minuten zum Einpegeln und Testen bräuchten, und dass man diese Zeit an besten mit einem Getränk von der Bar überbrücken könnte...ähem, nein, die Getränke sind nicht kostenlos...
Es sind aber wirklich nur ein paar Minuten, um die sich der Einlass verzögert. Nachdem Alle ihren Platz gefunden haben, begrüßt uns Frau Professor Hüttemeister zur vorletzten Show dieses Jahres im Planetarium Bochum. 'Hello' in Zusammenarbeit mit dem Schallwende-Verein hat eine lange Tradition. Für die wenigen, die hier neu sind: Wer während der Show aus der Kuppel muss, darf bis zur Pause nicht wieder hinein, und für Lichteffekte ist einzig und allein Klaus-Dieter Unger zuständig. Nach diesen allgemeinen Hinweisen reicht sie das Mikrofon an den Schallwende-Vorsitzenden Klaus-Ulrich Sommerfeld weiter. Von dem hören wir noch ein paar Worte zum heutigen Act: Wolfram Spyra steht an diesem Abend nicht zum ersten Mal auf der Bühne des PlaBo. Das letzte Mal ist aber schon mehrere Jahre her, jedenfalls so viele, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Also war es höchste Zeit, ihn wieder einmal hier her zu holen. Und was hat er heute als Programm mit gebracht? Das erzählt er uns am besten selber.
Wie auch in früheren Jahren wird 'Hello' aus zwei Sets von jeweils einer knappen Stunde bestehen. Im ersten Teil wird Spyra solo spielen, und uns Titel von seinem neuen Album 'Tau' präsentieren. Im zweiten Teil wird Roksana dazu kommen. Des weiteren hat er noch eine kleine Überraschung parat. Um was es sich dabei genau handelt, verrät er noch nicht, außer dass er ein 'Schätzchen' aus den 80ern ausgegraben hat.
Für den Moment dürfen wir unsere Sitze in eine bequeme Position bringen und in seine aktuelle Klangwelten abtauchen. Der Einstieg ist zurückhaltend und noch ohne Sequenzen. Ein paar der Sounds erinnern entfernt an Jarre, aber meine Assoziationen gehen eher in Richtung Orient. Passend dazu hebt Klaus-Dieter Unger noch nicht ins All ab, sondern versetzt uns in eine Wüstenlandschaft. Über der wird es für eine Weile dunkel. Das liegt aber nicht daran, dass es Nacht werden würde - wir erleben stattdessen eine Sonnenfinsternis, wie ein Blick nach ganz oben, zur Mitte der Kuppel verrät. In dieser Dunkelheit entwickelt Wolfram die erste Sequenz - noch zurückhaltend und leise, wie ein zartes Pflänzchen. So wie es in der Wüste langsam wieder hell wird, so wird die Sequenz mächtiger, und dominiert nach und nach den Track.
Als in der Wüste die Nacht anbricht und wir den Sternenhimmel sehen, steht die Sequenz alleine da, und man hat wie bei 'Crystal Lake' das Gefühl, immer tiefer in sie hinein gezogen zu werden. Der Unterschied: Während man bei Klaus Schulze langsam und kontinuierlich in die Tiefen des Sees gezogen wird, macht Wolfram einen harten Schnitt. Plätschern und Blubbern verrät uns, dass die Reise für ein Stück unter Wasser weiter geht, und Sequenzen machen für das Piano Platz, bis wir wieder auftauchen.
Aus den Tiefen aufgetaucht, bewegen wir uns schon auf das Finale des ersten Teils zu: Wolfram versteht es, die für ihn so typischen, perlenden Sequenzen zu immer komplexeren Gebilden zu erweitern, und der Sache dabei eine Dramatik zu geben. Die Bilder an der Kuppeldecke stehen dem nicht nicht nach. Klaus-Dieter Unger zaubert eine Vielfalt von Galaxien und Sternenhaufen an die Kuppeldecke, und das gleich im halben Dutzend. Das ist wie ein buntes Feuerwerk am Himmel, nur ohne Krach, Rauch und Gestank!
Den Ausstieg aus dem ersten Set findet Wolfram, indem er den Druck nach und nach wieder heraus nimmt. Ein paar Sekunden sind wir uns nicht sicher, ob wirklich die letzte Note gespielt wurde, aber dann ist es klar und der Applaus setzt ein. "So viel Crystal Lake" fällt Klaus Sommerfeld spontan in seinen Dankesworten als Kommentar ein, und er hat damit nicht ganz Unrecht. Aber es ist eben Wolframs Kristallsee gewesen, mit seinen ganz eigenen (Un-)Tiefen.
Eigentlich hatte Wolfram ja vor, sein neues Album - und damit die CD-Version dieses ersten Sets - heute nach Bochum mitzubringen. Es hätte nach dieser Premiere sicher viele Käufer gefunden. Leider haben die Paketdienste ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, und so kann Roksana nur den 'Plan B' verkünden: Am CD-Stand liegt eine Liste aus. Wer sich dort einträgt, und die 15 Euro im Voraus bezahlt, bekommt die 'Tau' per Post zugeschickt, und auch gleich als signiertes Exemplar. Die folgende Pause wird 20 Minuten dauern, das ist genug, dass alle Interessenten sich in der Liste verewigen können.
Von dieser Option wird in der Pause reger Gebrauch gemacht, und Roksana sammelt dafür das im Voraus gezahlte Geld ein. Hoffentlich taucht das Paket bald auf und wir müssen nicht allzu lange auf die CD warten! Für einen kurzen Gang zur Toilette reicht die Zeit noch, dann ruft ein Gong wieder in den Saal. Roksana und Wolfram werden den zweiten Teil zusammen bestreiten. Kennt man das von früheren Auftritten, so weiß man, dass vom Pfad der 'reinen Berliner Schule' ab sofort abgewichen wird. Mit dem, was jetzt kommt, hat aber wohl niemand gerechnet:
Wolfram lüftet das Geheimnis um die eingangs versprochene Überraschung. In seinen Archiven sind Fragmente eines Songs von 1982 aufgetaucht, die er für den heutigen Abend wieder vervollständigt hat. Mit "Sternenklang" hat der Song einen Namen, der nicht besser zu diesem Ort passen könnte, und 'Song' ist absolut wörtlich zu nehmen. Es werden Erinnerungen an die Neue Deutsche Welle wach, wenn Roksana und Wolfram gemeinsam den Klang der Sterne besingen. Hat Wolfram auch einmal solche Titel geschrieben, diese Seite an ihm kenne ich noch überhaupt nicht? Er ist eben ein unglaublich vielseitiger Musiker, Künstler und Kreativer. Seine Interessen und Fähigkeiten gehen weit über die 'klassische EM' hinaus, wie wir sie gewohnt sind zu hören.
Für all die, denen der 'Sternenklang' doch ein wenig zu abseitig war, für die geht die Reise gleich darauf wieder in die Welt der Sequenzen zurück. Im diesem Set ergänzt Roksana sie aber durch ihre Stimme, die sie, vom Looper unterstützt, wie ein weiteres Instrument einzusetzen versteht. Wolfram wiederum regt das dazu an, seine Sequenzen deutlich rhythmischer und mit mehr 'Drive' zu gestalten. Die beiden spielen sich mehr und mehr in einen Tunnel, aus dem der Ausstieg schwer fällt - man schaue nur auf Roksanas Mimik, die ist fast nicht mehr von dieser Welt und geht ganz weit in die Ferne.
Aber auch die zweite Hälfte dieses Konzerts hat eine endliche Länge, und es muss rechtzeitig ein Ausstieg gefunden werden. Sonst bleibt keine Zeit mehr für einen Klassiker, den Wolfram gerne an das Ende seiner Konzerte setzt: 'Future of the Past' kann auf vielfältige Weise interpretiert werden, sowohl von der Länge her als auch vom Volumen. Die heutige Version wirkt etwas feiner und nicht mit ganz so fetten Bässen. Nichtsdestotrotz findet sie Anklang und langen Beifall, sowie Rufe nach einer Zugabe. Ist dafür überhaupt noch Zeit? Wolfram fragt in die Runde, wie lange er gespielt hat, ihm ist in diesem zweiten Teil das Gefühl für die Zeit ein wenig abhanden gekommen. Natürlich hätte er noch genug Material für einen dritten Teil. Ein Blick auf die Uhr verrät aber, dass es deutlich auf Mitternacht zugeht. Und man darf nicht vergessen, dass das Personal vom Planetarium schon einen langen und mit Shows voll gepackten Tag hinter sich hat.
So bleibt es bei einer kurzen Zugabe aus Spyras Klangwelten, bis Klaus Sommerfeld noch einmal das Mikrofon ergreift. Nicht nur allen Aktiven an diesem Abend ist zu danken, auch an die Besucher geht der Dank fürs zahlreiche Kommen, und man möge gut ins Jahr 2025 hinein kommen. Ach ja, und wer noch nicht gewählt hat: Die Wahlen für die Schallwelle laufen noch bis zum 15. Januar, und je mehr Stimmen abgegeben werden, umso wertiger sind die Preise, die Anfang März in der Rohrmeisterei verteilt werden. Und am 30.12.2025 wird es sicher wieder 'Hello 2026' heißen. Aber das liegt noch in weiter Ferne. Jetzt ist es erst einmal an uns allen, das Jahr 2025 zu einem guten zu gestalten. Der Schallwende-Verein wird dazu sicher wieder seinen Beitrag leisten. In diesem Sinne: Willkommen, neues Jahr!
Alfred Arnold