Ziemlich bald nach der letzten Level-Pi-CD erschien ein neues Album von Uwe Cremer. Diesmal jedoch kein Soloalbum, und auch der Künstlername Level Pi taucht nicht auf. Es ist die erste Zusammenarbeit von Uwe Cremer mit dem schwedischen Musiker Thomas Rydell. Herausgekommen ist dabei zunächst einmal, dass ich ganz große Augen gemacht habe...
Trotzdem als erstes ein paar Worte zu den beteiligten Musikern. Über Uwe Cremer brauche ich mich nicht ausufernd zu äußern, denn ich habe bereits zwei seiner Veröffentlichungen („Electronic Sheep“ und „Dunkelstunde“) rezensiert. Wichtig ist hier vor allem, dass Uwe ein großer Verehrer des sogenannten Krautrock ist und dessen Fahne hochhält.
Thomas Rydell dagegen war mir kein Begriff. In einem „Promotion text“ fand ich aber einige Hinweise: „Sweden is well known for main stream pop groups like ABBA and Roxette, but Swedish composer and musician Thomas Rydell (b 1969) choose an alternative music career. With influences from progressive rock bands and German krautrock, as well as folk- and classical music, his own compositions have been released by a major Swedish label during the 1990s. After getting his degree in musical composition and arranging, Thomas started a music production company in 2001. Since then he has scored several feature length films, as well as TV shows. He never left his early influences though, and the new album Sirius Singularity is a tribute to groups like Tangerine Dream and Pink Floyd.” (Zitatende)
Die beiden kamen 2008 über eine Radiosendung von Chris Newman (TDFZ Radio Show) in Kontakt und mit ihrer gemeinsamen Vorliebe Krautrock als Basis beschlossen sie, etwas zusammen zu machen. Das Ergebnis liegt nun in Form von „Sirius Singularity“ vor. Dem „Promotion text“ nach entstand die Musik auch über einen längeren Zeitraum zwischen 2010 und 2011.
Nun aber zurück zu den „großen Augen“. Die machte ich, weil ich eine Produktion wie „Sirius Singularity“ in der EM bislang nicht gehört habe. Und weil ich eine derartige Musik auf einem Album, auf dem der Name Uwe Cremer steht, nicht erwartet habe. Der mir bekannte Uwe Cremer war nach einiger Zeit zwar wieder da, aber der Anfang hat mich doch sehr erstaunt. Warum? Nun, mehr „Klassik“ geht wohl kaum!
Das Titelstück beginnt mit Bläsern und Streichern, später hört man eine klassische Gitarre, der sich bald eine Harfe zugesellt. Nach gut fünf Minuten blendet leise die E-Gitarre ein, gleichzeitig mit Synthesizern „klassischer“ EM-Ausprägung. Diese von E-Gitarren dominierten Teile des Albums sind dann der Art von Level Pi entsprechend. Damit dürfte die Aufteilung klar sein, welcher Musiker jeweils welchen Anteil an den Stücken hatte.
Wenn jetzt jemand an Deep Purple und „Concerto for group and orchestra” denken muß, dann kann ich nur sagen: ja, das kam mir auch in den Sinn. Was vor 40 Jahren gut war, ist auch heute nicht verkehrt. Aber Cremer / Rydell sind nicht Deep Purple und das Royal Philharmonic Orchestra. Thomas Rydell hat völlig andere Musik geschaffen, und vor allem ist „Sirius Singularity“ Elektronische Musik, wenn auch mit sehr ungewohnter Ausprägung!
„Revisiting The Art Museum” beginnt mit langsamen Schritten, dann ein Klirren oder Scheppern und schnelle, sich entfernende Schritte – ups! Ist mir da ein fragiles Kunstwerk heruntergefallen? Oder wurde eine Scheibe eingeworfen? Nach diesem Gag (war das wirklich so gemeint?) geht es in diesem Stück aber einem Kunstmuseum angemessen ruhig weiter mit Flöten- und Klarinettenklängen. Dazu ganz dezente Synthesizersounds. Die Musik nimmt zeitweise gar
meditative Züge an. Und nach etwa neun Minuten setzt eine Sequenz ein. Dank Winfrid Trenklers „Schwingungen“ habe ich noch dunkle Erinnerungen an die „Natursinfonien“ von Ralph Lundsten. „Revisiting The Art Museum“ lässt mich an eben diese Musik denken.
Im Titel „Gizeh Intelligence“ findet sich auch wieder eine ganze Reihe von Instrumenten: Hörner, Klarinette, Oboe, Flöte und Streicher für die klassische Seite, die Rockmusik wird vertont mit der diesmal richtig heavy klingenden E-Gitarre, Schlagzeug und auch einer Hammondorgel. Außerdem klingt die E-Gitarre wie mit Vocoder bearbeitet, was sehr an Pink Floyd („Animals“) erinnert. Zu Anfang aber ist das Stück fremdartig-spacig, bis die klassischen Instrumente in Sequencer-Manier einsetzen, was wirklich toll gemacht ist. Ungefähr in der Mitte von „Gizeh Intelligence“ leiten melodramatisch klingende Geigen und Bläser zusammen mit weiteren „bedrohlichen“ elektronischen Sounds über in den heftigen Krautrockteil, der das letzte Drittel des Stücks füllt.
„Sirius Singularity“ ist eine wunderbare Abwechslung und eine großartige Bereicherung des Kosmos „Elektronische Musik“. Die klassische Ausbildung Thomas Rydells macht sich bezahlt. Die Orchesterparts sind nicht aufgesetzt und wirken schon gar nicht wie Fremdkörper. Gut, man kann vielleicht einwenden, dass die klassische Orchestrierung oder derartige Strukturen in der EM nichts Neues bedeuten. Beispielsweise hat Rüdiger Gleisberg sich auch schon in diesen Gefilden getummelt. Trotzdem meine ich, dass Uwe Cremer und Thomas Rydell hier etwas völlig anderes und meines Wissens auch einmaliges geschaffen. Ich jedenfalls fand es richtig schön, nachdem die erste Überraschung sich gelegt hat, in dieser Musik auf Entdeckungsreise zu gehen. Und dieses Album ist eines, das mir immer besser gefällt, je öfter ich es höre. Bezug: www.level-pi.de
Andreas Pawlowski