Nachdem Meesha die Schallwelle als „bester Neuling des Jahres 2009“ in Empfang genommen hatte, brachte er mit „Within The Parallel“ ein hervorragendes Album als reguläre CD heraus. Mit „Ether“ kehrt er nun zu seiner vor „Within The Parallel“ schon praktizierten Art der Veröffentlichung seiner Musik zurück: „Ether“ ist als (kosten)freier Download auf seiner Webseite erhältlich.
Der aus Hilversum (NL) stammende Misja van Waterschoot, der unter dem Pseudonym Meesha schon viele Jahre lang (nicht nur) elektronische Musik macht und veröffentlicht, hat seine aktuelle Produktion dem „Äther“ gewidmet: „Dedicated to the invisible medium in which radio, television and communication signals travel.“ Erwartungsgemäß sind viele Sprachschnipsel und andere, dem Funk zuzuordnende Geräusche zu hören.
Obwohl Meeshas Vorliebe für Jean-Michel Jarre und dessen Einfluss auf Meeshas Schaffen an vielen Stellen wieder deutlich erkennbar ist, macht Misja doch seinen eigenen Weg. Auffallend ist, dass „Ether“ um einiges ruhiger als die Vorgängeralben wirkt. Das wird schon bei dem schönen Opener „Radiate“, einem Track mit herrlicher Atmosphäre, offenbar. In den letzten Minuten wird die spacige Stimmung um Sequenzen und Klänge verstärkt, die eine große Weite erzeugen.
Beim folgenden Titelstück wird das Tempo angezogen; mit Schlagzeugsound, einem temporeichen Sequenzer und einer mittels Vocoder verfremdeten Gesangsstimme ist das Stück wie ein Song, passt sich jedoch prima in die Gesamtheit des Albums ein.
„The Dispatcher“ ist ein recht melancholisches Stück. Das gründet sich zuerst auf die sparsam, aber wirkungsvoll gesetzten Akkorde, aus denen die Melodie besteht. Später sind es die Klangflächen und diversen Funkspruchfetzen, bis dann wieder die anfängliche Melodie zurückkehrt.
„Reversed Interference“ könnte auch auf „Oxygene“ oder „Equinoxe“ von Jean-Michel Jarre zu finden sein, was den Einfluss dieser beiden Klassiker aus den 1970er Jahren erneut bestätigt.
An der Temposchraube dreht Meesha bei „Uplink Downlink“ ein bisschen. Die Klangfarbe der Melodie, die er mit kräftigen Pinselstrichen aufträgt, erinnert mich am Anfang etwas an Vangelis. Auch insgesamt hat „Uplink Downlink“ einen leichten Vangelis-Touch, aber nicht zu viel, so dass es immer Meesha bleibt.
„Anyone On The Air” schafft wieder eine sehr ruhige Atmosphäre, wo man gedanklich und akustisch den Funkwellen durch den Äther folgt. Am Ende wird die Atmosphäre zur gefühlten Einsamkeit, wenn eine männliche Stimme eben nach „Anyone On The Air“ fragt.
Die Klänge tragen sacht hinüber in den Schlusstitel des Albums, der für mich der Höhepunkt ist. Mit fast 19 Minuten ist „The Endless Travel Of Tran” das längste Stück auf „Ether“ – und die Zeit empfinde ich noch als zu kurz. Kosmische Ambientmusik, wie sie schöner kaum sein kann. Klänge, Soundscapes, Stimmungen, in die ich eintauche, die mich umhüllen, in denen ich mich geborgen fühle, und eigentlich dort verweilen möchte. Am Anfang wird die Atmosphäre vom Beginn des Titels „Radiate“ wieder aufgenommen. Windhauch zieht sich durch das gesamte Stück, lange und harmonische Klänge sind wie eine angenehme Decke, die sich federleicht darüber legt. Jede Unterbrechung dieses Wachtraums kann nur unsanft sein. – Und der Zeitpunkt nach 18 Minuten und 42 Sekunden kommt einfach viel zu früh.
„Ether“ ist ein sehr schönes und vor allem ausgereiftes Album geworden. Ein Besuch auf Meeshas Internetseite lohnt sich! (Übrigens hat man dort durchaus die Möglichkeit, Meesha für sein Werk einen Obolus zukommen zu lassen.)
Bezug: http://www.meesha.nl
Andreas Pawlowski