Wenn einer der Pioniere wie Jarre, nach etlichen Jahren ein neues Album veröffentlicht, muss natürlich auch empulsiv einen ausführlichen Blick darauf werfen!
Jarre, hat aus Sicht einer Mainstreamstrategie nicht viel falsch gemacht, soviel vorweg, aber bei genauerer Betrachtung und mehrfachen Konsumierung beschleicht einen das Gefühl, dass man nicht nur viel Zeit in die Produktion gesteckt hat, sondern von Anfang an das Ziel hatte, dass dieses Album ein kommerzieller Erfolg werden muss!
Neben dem unglaublichen Name-Dropping, der strategischen Kontrastierung von vokalen und instrumentalen Nummer, fällt weiterhin auf, dass jeder Song einem gewissen Schema zu unterliegen hatte. Aber eins nach dem Anderen!
Jarre ist die letzten Jahre durch die Welt gereist, um diverse Größen für seine Kooperation zu gewinnen und gemeinsam mit Ihnen einen oder mehrere Songs aufzunehmen. Dabei vermengt sich der typische Klang des Gastes mit den typischen Sounds des französischen Großmeisters. Genehmigt, aber immer wieder scheint dabei die Beigabe der vergangenen Charakter-Sounds derart konstruiert, dass man unweigerlich schon nach dem zweiten oder dritten Hören des Albums, dem System auf die Schliche kommt. Viele der Tracks sind eingängig, gut anzuhören und eigentlich auch frei von jeglichen Nebenwirkungen. Aber das ist auch wieder das Problem, denn es gibt wenige Ecken und Kanten, es gibt keinen Konzeptspannungsbogen und fast jeder Song möchte irgendwie als Singleauskopplung fungieren. Immer dann, wenn es einer der musikalischen Gäste wagt, etwas mehr einzugeben, wird es interessanter. Die Zusammenführung von Elektronik-Größen wie Tangerine Dream, Moby, Air oder auch Vince Clark, Gary Numan und John Carpenter schindet Eindruck, keine Frage, aber das mögliche Potenzial weicht oft der zwanghaften Vermischung vorgegebener Soundelemente.
Es ist ein schönes Popalbum, nicht mehr und nicht weniger. Würde es keines von Jarre sein, würden wir den neuen Künstler wahrscheinlich lieben und hypen. Aber die mathematische Konstruktion, einem Marktsystem gefallen zu müssen, überwiegt gegen die Möglichkeiten etwas künstlerisch Anspruchsvolles daraus zu machen. Möglicherweise ist das aber auch nie der Grundgedanke gewesen.
Gönnen wir dem Altmeister die Aufmerksamkeit, die er gerade erhält, vielleicht führt sie dazu, dass er sein nächstes Projekt wieder nach intensiveren Kriterien designen darf/kann/möchte. Jarre-Neulings-Hörer wird es, da sie möglicherweise viel unvoreingenommener sind, gefallen und dafür nutzen, die alten Heroen genauer kennenlernen zu wollen. Sollte dies umfangreich geschehen, so hätte das Album nicht nur dadurch (s)eine Existenzberechtigung.
Bezug und Infos: Offizielle Seite von Jean-Michel Jarre
Stefan Erbe