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Rike Casper - Stimmen in der Luft

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Auch wenn ich als reiner Konsument in künstlerische Entstehungsprozesse nicht allzu viel Einblick habe: Das Werden eines (Musik-)Albums, von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung, ist ein langer Weg, der mit viel Arbeit und Mühe verbunden ist. Ob diese Assoziation bei dem Kunstwort "muësie" eine Rolle gespielt hat, weiß ich natürlich nicht, aber es ist in der Tat so, dass Rike Casper sich für ihr erstes, unter diesem Begriff veröffentlichtes Album viel Zeit genommen hat.

"muësie" steht hier für die Verbindung von Musik und Poesie. Diese Kombination beschäftigt Rike bereits seit einigen Jahren, sei es mit Bettina Dornberg in "Wortklangreich" oder im Trio "zeitzuzeit".  Stammten die Texte dort vornehmlich aus vergangenen Jahrzehnten oder Jahrhunderten, so gehen auf "Stimmen in der Luft" Zeilen aus der Feder zeitgenössischer Poeten eine Verbindung mit Klängen ein.  Dem entsprechend handeln sie auch von aktuelle Themen: Wie der Mensch sich die Welt Untertan gemacht und damit in Unordnung gebracht hat. Oder über den Informations-Overload und dass man immer zu wenig Zeit zu haben scheint, sowohl für Andere als auch für sich selbst.

"Zeit" ist aber ein wichtiger Punkt, denn die muss man sich in diesem Fall nehmen. "Stimmen in der Luft" ist kein Album für den schnellen Nebenher-Konsum. Es braucht diverse Runden bewussten Hörens, um den Sinn und die (Hinter-)Gedanken der Texte zu verstehen, und auch um eine Wertschätzung dafür zu erlangen, wie auf dem Album Klänge und Texte aufeinander abgestimmt wurden. Die Musik erzeugt einen zusätzlichen Spannungsbogen, und indem sie die von verschiedenen Sprechern gelesenen Texte akzentuiert, gibt sie dem geneigten Hörer auch eine Verständnishilfe.

"Stimmen in der Luft" ist sicher kein EM-Album im üblichen Sinne, wie es ansonsten an dieser Stelle besprochen wird. Aber es ist ein spannendes und ambitioniertes Album, zeigt es doch einen Weg auf, wie sich die EM aus ihrer "Ecke" heraus bewegen und mehr als die "üblichen" Hörer erreichen kann.

Wenn man den Rezensenten nun fragt, ob "Stimmen in der Luft" nicht nur alle möglichen Probleme unserer Zeit anspricht, sondern auch ein paar Lösungen dafür liefert: Das wäre zu viel verlangt. Kunst kann nur Denkanstöße geben, und wenn dieses Album es schafft, dass wir für einen Moment auf die Pausentaste unseres Lebens drücken und etwas verweilen, dann ist das bereits ein Verdienst. Dann sind es eben nicht nur Stimmen, die in der Luft verklingen, sondern Gedanken, die sich in Kopf und Herz fest setzen.

https://rikecasper.de/

https://rikecasper.bandcamp.com

Alfred Arnold

 

Über Empulsiv

Empulsiv wurde 2011 als Webzine für (traditionelle) elektronische Musik gegründet. Es berichtete über ein Jahrzehnt von musikalischen Events und über Veröffentlichungen, präsentierte Interviews und Neuigkeiten aus der Szene. Ende 2022 wurde das Webzine eingestellt. Es wird nun als Infoportal mit Eventkalendar, Linksammlung und Archiv fortgeführt, so dass Neues sowies Vergangenes weiterhin gefunden werden kann.