Manche bezeichnen ja das Ruhrgebiet neben Berlin als "Herz der EM", das heißt aber nicht, dass man elektronische Musik in anderen Teilen der Republik nicht auch live sehen und hören kann. Noch vorhandener Resturlaub gestattete es dem Schreiber dieser Zeilen, unter der Woche einen einen Kurzausflug nach Frankfurt zu machen. Anlass dafür war ein Auftritt von Ulrich Schnauss, seit 2014 Mitglied von Tangerine Dream, und nach dem überraschenden Tod von Edgar Froese Anfang dieses Jahres ein wenig der 'Hoffnungsträger' aller TD-Fans dafür, dass es mit Tangerine Dream weitergeht.
Schnauss kam aber nicht alleine ins "Bett", einen kleinen Musikclub im Frankfurter Westen. Mit auf der Bühne waren auch Picture Palace music, also mit Thorsten Quaeschning ein weiteres TD-Mitglied. Titel von Tangerine Dream liefen nichtsdestotrotz nur vor und nach den Auftritten 'aus der Dose'.
Der erste, mit einer Dreiviertelstunde kürzere Teil wurde von Picture Palace music bestritten. Diese boten einen Querschnitt ihrer bekanntesten Titel der letzten Jahre, durchgängig in den aktuellen Varianten, etwa so wie man sie von der 'ReVision' kennt. Seit knapp zwei Jahren sind zwei Sänger feste Mitglieder von PPm, Gesang beschränkt sich also nicht mehr auf die gelegentlichen Einlagen von Thorsten selber. Zusammen mit einem akustischen Schlagzeug entfernt sich PPm damit immer mehr von dem, was man als 'klassische EM' bezeichnen würde, aber solche Musik war ja auch nie das, was Thorsten mit diesem Projekt machen wollte.
Nach einer kurzen Abbaupause war die Bühne frei für Ulrich Schnauss. Im Vergleich zu PPm ist sein Instrumentarium auf der Bühne eher sparsam; neben dem Notebook und einem Mixer genügt ihm ein einzelnes Keyboard. Da PPm mit ihrem Instrumentarium den Großteil der Bühne in Beschlag genommen hatte, stand Ulrich mit seinen Geräten eher am Rand der Bühne und drehte dem Publikum beim Spiel halb den Rücken zu. Das sollte bei zukünftigen TD-Konzerten aber anders sein.
Bei so einem visuell eher asketischen Auftritt ist es um so wichtiger, dass dem Publikum ein anderer optischer Anreiz geboten wird. Der ganze Auftritt wurde von Videoprojektionen begleitet, gesteuert von seiner Partnerin auf der Bühne.
Was man nun musikalisch von Ulrich Schnauss erwarten darf? Seit jeher sind musikalische Impulse und Neuausrichtungen bei Tangerine Dream durch neue Bandmitglieder gekommen. Ulrichs Musik ist ohne Frage stilistisch auf der Höhe der Zeit - eingängig, rhythmisch und durchaus tanzbar. Eine Rückkehr zum Stil früherer Jahrzehnte sollte also niemand erwarten, Thorsten Quaeschning bleibt ja auch weiterhin TD treu. Ulrich spielte sein komplettes Set am Stück ohne Pausen zwischen den Titeln durch, so wie einen langen Club-Mix. Einen großen stilistischen Bruch würde ich auf den nächsten TD-Alben der 'Quantum Years' eher nicht erwarten, am ehesten noch eine leichte Verschiebung in Richtung Dance.
Mit ca. 40 Gästen war die Lokation bei weitem nicht ausverkauft, eine vergleichbare Veranstaltung in den anfangs genannten Regionen hätte wohl deutlich mehr Besucher angezogen. Nichtsdestotrotz habe ich den Ausflug nach Frankfurt nicht bereut. Den eigenen Horizont auch in dieser Richtung zu erweitern, ist nie verkehrt und auch anderswo gibt es schöne Spielorte!
Alfred Arnold