Einskommafünf - auf soviel Grad soll der durch den globalen Klimawandel verursachte Temperaturanstieg bis 2100 begrenzt werden. Das Ziel ist - vorsichtig formuliert - ambitioniert, und nicht viel weniger ambitioniert ist es, dies zum Thema der eigenen Musik zu machen. Bernd-Michael Land unternimmt dieses Wagnis auf seinem neuesten Album, das eben diese Zahl zum Titel hat.
Das muss naturgemäß eine Gratwanderung sein, auf der man einerseits nicht in große Gesten ohne Inhalt abrutschen darf. Andererseits darf die Sache aber auch nicht mit allzu erhobenem Zeigefinger daherkommen.
Und so macht Bernd auf "Einskommafünf" das, was mit elektronischer Musik und all ihrer Varianz am besten geht: Er erschafft Landschaften aus Klängen, und versucht quasi mit seinen Mitteln, uns die Welt auszumalen: Wie sie sich durch den Klimawandel bereits verändert hat, und worauf wir im Moment hinsteuern. Da hören wir das Knirschen der Eisberge, wie sie auseinander brechen, oder haben das Bild vom Eisbären auf der schmelzenden Eisscholle vor Augen. Und direkt der nächste Titel weckt mit Rauschen und Plätschern Erinnerungen an die Hochwasser der letzten Jahre.
Wo Bernd sich treu bleibt: Auch "Einskommafünf" ist wieder nur auf physischem Tonträger erhältlich. Das beiliegende Booklet, das mit seiner Seitenzahl wieder einmal die Grenzen dessen auslotet, was in ein Jewel-Case passt, illustriert die in den Titeln angesprochenen Themen und liefert weitere Erklärungen zur Entstehung des Albums. Ein genaues Nachlesen sei dem Hörer wärmstens ans Herz gelegt!
Man darf natürlich gerne versuchen, in die auf diesem Album aufgespannten elektronischen Landschaften einfach ohne Nachdenken einzutauchen. Dem Ratschlag, dies mit guten Kopfhörern zu tun, kann ich uneingeschränkt zustimmen, denn erst so entfalten die Sounds sich so richtig. Aber wenn die Klänge und Bilder sich einmal im Kopf festgesetzt haben, dann fällt es schwer, keine Gedanken auf das Thema dieses Albums zu verwenden.
Ein Werk mit solch einem Ansatz ist wie bereits geschrieben eine Gratwanderung, aber Bernd-Michael Land ist nicht von dem schmalen Grat abgestürzt. "Einskommafünf" fügt sich in die Reihe seiner Vorgänger ein, und trotzdem sticht es auf seine Weise heraus. Und der Rezensent wünscht sich an diese Stelle, dass es nicht das letzte seiner Art bleiben wird.
Alfred Arnold