Der Rhythmus hat sich eingeschwungen: Das traditionelle Sommer-Grillfest des Schallwende-Vereins mit Live-Musik findet abwechselnd im Essener Grugapark und auf dem Hof der Glanemanns statt. Mag der Grugapark einfacher zu erreichen sein, so hat der Hof im westfälischen Ahlen einen anderen, unbestreitbaren Vorteil: Platz und Ruhe ohne Ende. Klagen von 'Nachbarn' über vermeintlich zu laute Musik, die in früheren Jahren im Grugapark schon einmal kamen, sind auf dem Hof nicht zu erwarten: Glanemanns nächster Nachbar wohnt einen guten halben Kilometer entfernt. In der Scheune darf also auch einmal gerne richtig 'aufgedreht' werden. Und was das Problem der Anreise angeht: Mitfahrgelegenheiten wurden in den Tagen davor in den sozialen Netzwerken vermittelt, wir reisen zum Beispiel zu dritt an.
Von Aachen ist der Weg natürlich etwas weiter als vom 'Pott', und so ist es nur noch eine gute halbe Stunde bis zum angekündigten Beginn, als wir am Oestricher Landwehr eintreffen und uns einen Parkplatz auf der Wiese suchen. Das geschieht nicht ohne schlechtes Gewissen, denn wir wissen aus den Vorankündigungen, dass Klaus Sommerfeld Helfer für die Aufbauten und Vorbereitungen gesucht hatte. Erleichtert stelle ich fest, dass die sich in hinreichender Zahl gefunden haben: Alle drei Musiker haben ihre Setups in der Scheune bereits aufgebaut. Ein paar Stapel Holz-Paletten diesen als rustikale, aber stabile Bühne, von der die Kabel zu Dieter Klimaschewskis 'Technik-Tisch' führen. An dem steuert Dieter nicht nur den Sound in der Scheune, sondern auch einen neuen Show-Laser, der im Verlauf des Tages viele schöne Bilder an die Leinwand werden wird.
Vor der Bühne wurde an bequemen Sitzgelegenheiten aufgefahren, was vorhanden ist. Wir werden während der Konzerte wettergeschützt in der Scheune sitzen, und das ist bei der aktuellen Vorhersage auch ein guter Plan. Denn ob es an diesem Nachmittag und Abend trocken bleiben wird, ist noch alles andere als sicher. Um es voraus zu schicken: Petrus hat sich dann doch zurückgehalten, im Gegensatz zu seinem Kollegen Äolus. Der Wind bleibt böig, und deswegen ist der Grill in diesem Jahr ebenfalls geschützt aufgebaut. Wie immer, sind Würstchen und Frikadellen in passender Menge beschafft worden. Anhand der Voranmeldungen, die mit einer symbolischen Teilnahme-Gebühr verbunden waren, lies sich der ungefähre Bedarf ja abschätzen.
Der Grill wird aber gerade noch angeheizt, und zuvor ist ohnehin noch der Erwerb passender Wertmarken beim Kassenwart angesagt. An dessen Tisch gibt es aber nicht nur Märkchen: Im Umfeld der Vereins werden gelegentlich CD-Sammlungen aufgelöst und dem Verein zum Verkauf zur Verfügung gestellt. Neuheiten wird man in diesen Kisten nicht finden, so aber doch das eine oder andere Album, das in der eigenen Sammlung noch fehlt und lange vergriffen ist. Und wenn doch etwas Aktuelles gesucht wird: gleich daneben hat Lambert seinen Stand aufgebaut und hat nicht nur Neuheiten seines eigenen Labels im Angebot.
Wie erwähnt, bis zur ersten Grillwurst wird es noch etwas dauern, aber der frühe Nachmittag wäre ja der passende Zeitpunkt für Kaffee und Kuchen. Die werden ebenfalls gegen Märkchen abgegeben, und so kann das Grillfest mit einen Plausch an der improvisierten Kaffeetafel begonnen werden. Die Glanemanns haben es sogar geschafft, eine kleine Abspülstation für das hoffentlich mitgebrachte Mehrweg-Geschirr aufzubauen. Falls jemand das vergessen hat: Etwas Geschirr ist auch vor Ort vorhanden. Pappteller und Plastikbesteck sind endgültig 'out'.
Allzu lang darf das vorgelagerte Kaffeekränzchen aber nicht dauern, denn der große Zeiger der Uhr hat die 30 schon überschritten, und es ist erst einmal an der Zeit für die Mitgliederversammlung des Schallwende-Vereins. Da dieses Mal eine Neuwahl des Vorstands ansteht, ist die Tagesordnung für eine halbe Stunde mehr als dicht gepackt. Aber so viel Zeit muss sein: Der Vorsitzende Klaus Sommerfeld bittet unsere heutigen Gastgeber, die Glanemanns, nach vorne und zählt noch einmal auf, was sie alles für diesem Tag vorbereitet und beigetragen haben. Ein dicker Applaus vorweg!
Dann geht es aber an die 'Arbeit', nämlich den ersten Punkt der Tagesordnung: Den Bericht des Vorstandes. Und angesichts dessen, was im vergangenen Jahr alles gelaufen ist, artet alleine die bloße Aufzählung in Arbeit aus: Schallplatte, Schallwelle, Hello 2024, EM-Breakfast, eben dieses Grillfest - das sind nur die nach außen sichtbaren Tätigkeiten des Vorstands und der Aktiven Mitglieder im Umfeld. Aber da wäre auch die 'Verwaltungsarbeit' im Hintergrund, die auch einen erheblichen Teil der (Frei-)Zeit frisst und ohne die ein Verein nicht funktionieren würde. Dazu gehört zum Beispiel die Verwaltung der Kasse: An deren Führung hatten die beiden Kassenprüfer nichts zu beanstanden und beantragen deswegen die Entlastung des Vorstands. Die wird ohne Gegenstimmen gewährt, und aus der folgenden Wahl wird der Vorstand bestätigt: Klaus Sommerfeld bleibt erster Vorsitzender, Andreas Pawlowski der zweite, und Norbert Rescher führt weiterhin die Kasse. Einzig bei der Besetzung der Kassenprüfer ändert sich etwas. Hier darf sich Norbert freuen, wieder einmal einen Prüfer 'um die Ecke' im Pott zu haben. Hin- und Herschicken der Dokumente per E-Mail ist zwar kein Problem, aber persönlich am gleichen Tisch geht es noch einfacher.
Liegen noch irgendwelche Anträge oder Wünsche an den alten und neuen Vorstand vor? Wenn nicht, dann wäre die Mitgliederversammlung geschlossen und das Grillfest darf beginnen. Es ist alles schon aufgebaut, und so muss sich sputen, wer vor dem ersten Konzert noch Speis oder Trank erwerben will. Und es wäre ärgerlich, den Anfang des ersten Konzerts zu verpassen, denn hier tritt ein Musiker auf, den wohl noch niemand der Anwesenden schon einmal live erlebt haben wird:
Christian Meier veröffentlicht unter dem Namen 'Saiowa'. Ein Album ist zwar bisher noch nicht darunter, aber sein Name ist schon auf er Musikerliste der Schallplatte aufgetaucht, und wer den Youtube-Channel des Schallwende-Vereins verfolgt, dem wird schon seine 'Spottermusic' begegnet sein. Dort heben zu seiner Musik Flugzeuge ab, und selbiges tut Christian auch gleich mit dem Einsteiger: Flott, rhythmisch und fast ein wenig poppig spielt 'Saiowa' auf. Man merkt direkt, dass er seine Inspirationen nicht nur bei den 'klassischen Elektronikern' der 70er-Jahre gefunden hat. Und auch eine Prise Klassik, mit feiner Melodie-Arbeit, ist dabei.
Die kommt im zweiten Track des Konzerts noch besser zur Geltung, in dem es etwas ruhiger zugeht. Christian hat extra einen passenden Wagen gemietet, so dass er sein E-Piano mit nach Ahlen bringen konnte. Das ist zwar etwas sperrig, aber doch noch näher am 'Original' als die Piano-Sounds eines Keyboards. Nach und nach drängen sich die Sequenzen weiter in den Vordergrund und wandeln die Stimmung des Titels. Den 'Spannungsbogen' hat Christian auf jeden Fall schon heraus: Das könnte auch Filmmusik sein, und sei es nur für den Film im eigenen Kopf.
Christian macht schon seit vielen Jahren Musik, und so hat er genug Material, dass der 'Film' auch in der Folge nicht reißt. Zum Ende hin wird es wieder poppiger, und er setzt stimmungsmäßig auch einen richtiges Finale. Der Applaus und die Bravo-Rufe, mit denen der vermeintliche Schlusspunkt bedacht wird, sind aber verfrüht: "Einen hätte ich noch", ist die schlichte Ankündigung, aber der hat es in sich: Mit einem großen Vangelis-Tribute beschließt Christians das erste Konzert des Tages - da wird es einem noch einmal ganz warm ums Herz. Sichtlich zufrieden und entspannt geht Christians Blick von der Bühne in die Reihen. Vor vielen Jahren hatte er schon einmal live gespielt, aber das ist so lange her, dass dies hier getrost als gelungene Live-Premiere bezeichnet werden kann. Wir freuen uns darauf, Christian in nicht allzu ferner Zukunft einmal wieder live zu erleben.
Auch wenn alles für das zweite Konzert bereits aufgebaut ist, etwas Pause können jetzt Alle gebrauchen, und der Grill läuft eine gute halbe Stunde auf Hochtouren, bis zum zweiten Konzert gerufen wird. Der Ruf erfolgt dieses Mal nicht von Klaus Sommerfeld, sondern vom alten und neuen zweiten Vorsitzenden: Andreas hatte sich im Vorfeld darum verdient gemacht, die durch eine Absage entstandene Lücke im Spielplan durch einen anderen Act wieder zu schließen. Bevor der angekündigt wird, muss aber noch eine andere Person geehrt werden: Ohne den ersten Vorsitzenden, der den ganzen Verein am Laufen hält und den größten Teil der Vorbereitungen zu stemmen hatte, geht hier nichts. Also bitte noch einmal ein Extra-Applaus für unseren alten und neuen Vorsitzenden Klaus Sommerfeld!
Der zweite Act des Tages ist kein 'Bühnen-Neuling': Björn Vogelsang ist die eine Hälfte des Duos 'Suriya', und wir erinnern uns noch gerne daran, wie Björn zusammen mit Jürgen Bruhn vor zwei Jahren hier in der Scheune aufgespielt haben. Seinen Spielpartner hätte Björn auch heute gerne wieder mitgebracht. Leider ist Jürgen schwer erkrankt und kämpft im Moment darum, wieder gesund zu werden. Wir drücken von dieser Stelle aus die Daumen, dass dies nicht allzu lange dauern wird!
Diese 'Solo-Situation' ist neu für Björn. Das Material, was er heute spielen wird, ist in den letzten zwei Wochen entstanden, und er stellt den Begriff eines 'Werkstattkonzerts' in den Raum. Was wir im Einsteiger-Track hören, ist aber dennoch alles andere als unfertig - es ist nur gänzlich anders als das, was wir im ersten Konzert gehört haben. 'Suriya' waren schon immer Grenzgänger, wenn man sie von der Warte des EM-Fans aus betrachtet. Und auch solo geht Björn seinen ganz eigenen Weg: Das Ergebnis wirkt aufs Wesentliche reduziert und nimmt Anleihen beim Jazz. Sein wichtigstes Instrument ist dabei ein Yamaha-Blascontroller. Der ist eine Geschichte für sich, wie er zwischen den Titeln erzählt. Yamaha baut dieses Instrument schon seit vielen Jahren nicht mehr. Sein Exemplar ist über 30 Jahre alt und hat just während der Vorbereitungen zu diesem Konzert den Geist aufgegeben. Das Vorgängermodell, das er darauf hin wieder aus der Schublade geholt hat, wollte auch nicht auf Anhieb funktionieren und ist eher provisorisch repariert. Ein neuer (gebrauchter) Controller ist aus Japan auf dem Weg, aber heute muss es so gehen.
Das Provisorium hält, und so muss man den Namen des zweiten Titels nicht zu ernst nehmen: 'Too much Empty Space'. Zu Anfang füllen vier Sequenzen den Raum, von denen eine der 'Querschläger' sein soll. Welche das ist, das muss die Zuhörerschaft selber heraus finden, und hier wird auch bewusst dem Zufall Raum gelassen. Im Verlauf des Titels kehrt Björn doch wieder zu seinem Blascontroller und der minimalistisch-jazzigen Stimmung des ersten Tracks zurück: Das Chaos wurde erfolgreich gebändigt.
So ist es an dem dritten Titel, einen echten Kontrapunkt zu setzen, und das kommt auch schon in dessen Namen zum Ausdruck: 'Much too Matsch'. Es dominieren die Rhythmen, die Musik bekommt einen richtigen 'Drive'. Da fällt es schwer, den eigenen Fuß still zu halten, und tanzbar wäre dies auf jeden Fall.
Wäre da noch eine Zugabe drin? Ja sicher, aber Björn amüsiert sich ein wenig über diesen Begriff. Ehrlicherweise ist es ja so, dass die Zugabe bei einem Konzert von vornherein eingeplant und der Wunsch danach alles andere als unerwartet kommt. Für das, womit er seinen heutigen Auftritt in der Scheune beschließt, verwendet er lieber den Begriff der 'vorgezogenen Nachreichung'. Die besteht aus einem Titel von Suriya. Davon spielt Björn zwar nur einen einzigen, aber das 'Feeling' ist sofort wieder da: Warm, entspannt, wir könnten jetzt genauso mit einem Longdrink an einem Strand sitzen und den Sonnenuntergang genießen. Auf dass Jürgen Bruhn baldmöglichst wieder mit auf die Bühne kommen kann!
Nicht nur in der Musik hat bisweilen der Zufall seine Hand im Spiel, auch bei einem Grillfest läuft nicht immer alles wie geplant. Die Landluft hat offensichtlich hungriger als erwartet gemacht, und so sind alle eingekauften Grillwürstchen bereits jetzt verzehrt. Zwei Pakete sind aber eben noch gespendet worden. Der Vorsitzende bittet um Handzeichen, wer noch Interesse hat! Auch die letzten Würstchen finden allesamt ihre Abnehmer, Frikadellen sind aber noch reichlich vorhanden. Es wird also niemand in dieser Pause vom Grill mit leerem Teller abziehen müssen.
Die Musiker haben unterdessen die zweite Pause genutzt, die Instrumente der ersten beiden Konzerte abzubauen. Bevor das dritte und finale beginnt, muss aber noch ein Moment Zeit für eine traurige Bekanntgabe sein: Im vorigen Sommer war das langjährige Schallwende-Ehrenmitglied Wolfgang Cichy verstorben, und vor zwei Monaten ist ihm völlig unerwartet auch seine Frau gefolgt. Die gebrauchten CDs, die am Schallwende-Tisch zum Verkauf stehen, stammen zum größten Teil aus Wolfgangs Sammlung, und der Erlös kommt den Hinterbliebenen zu gute. Je mehr heute verkauft wird, desto besser, und behaltet Monika und Wolfgang in guter Erinnerung!
Ob wegen dieses Ereignisses der Einstieg in das dritte Konzert eher getragen gerät - wir wissen es nicht. Bestritten wird es von Monika Freerk, die als 'Icing Wolf' auf der Schallwelle 2017 zur besten Newcomerin gekürt wurde, und die im Jahr darauf im Schwerte ihr erstes Live-Konzert bestritt. Auch Monika hatte einen Verlust zu verkraften, aber mit neuem Partner hat sie wieder zu ihrer positiven und zupackenden Art zurück gefunden. So hat sie auch nicht gezögert, als man ihr diesen Auftritt angeboten hatte.
Bereits nach wenigen Minuten findet Monika auch in diesem Konzert zu ihrem dynamischen, melodischen und warmem Stil zurück, der im Kontrast zu ihrem Künstlernamen steht. Sie hört selber nicht nur EM, sondern ist auch für Rock und Pop offen. Das spürt man bei diesem ersten Track und wird mitgerissen.
Mitten hinein in den Einsteiger erklingt auf einmal Glockengeläut. Auch Monika gibt zuerst sich ahnungslos, was dessen Ursprung angeht. Aber dann kommt die Erklärung: Das kommt von Sylvia, die oben auf ihrer Wolke sitzt und zuschaut und zuhört. "Ohne sie wäre ich nicht hier!" Was Sylvia in all den Jahren für Verein und Szene getan hat, das kann man gar nicht oft genug erwähnen.
Es geht weiter: Auch im zweiten Titel gelingt der Spannungsbogen von einem verhaltenen Einstieg zu einem furiosen Finale. Und auch dieser Titel ist für ihre Verhältnisse ein Langläufer: So lang, dass sein Nachfolger bereits der letzte dieses Konzerts sein wird. In dem dominieren dann Flächen, Rhythmuswechsel und komplexere Konstruktionen - auch dazu ist die eisige Wölfin mittlerweile in der Lage. Sie gelingen so gut, dass auch hier der Wunsch nach mehr geäußert wird - egal ob man das jetzt 'Zugabe' oder 'vorgezogene Nachreichung' nennen will.
Indes, Monika hat nichts mehr zum Nachreichen, auch nach einem tieferen Blick aufs Notebook findet sich nichts, was sich hier und heute noch schnell improvisieren ließe. So ist es denn wieder an Klaus, einer glücklichen und entspannten Monika für dieses Konzert zu danken. Alle anderen Personen, die dieses Grillfest ermöglicht haben, werden natürlich auch noch einmal aufgezählt - zuvorderst natürlich die Glanemanns, unsere Gastgeber. Ans Publikum geht der Dank fürs zahlreiche Erscheinen, und der Hinweis auf den nächsten Eintrag im Schallwende-Kalender: Für den September konnte der Verein einen der raren Termine im Planetarium Bochum ergattern. Steve Baltes und Bernd Scholl werden dort ein Doppelkonzert bestreiten.
Und bricht der Herbst an, sind auch schon die nächsten Traditions-Veranstaltungen in Sicht: EM-Breakfast, Hello 2025, die nächste Schallwelle...und im Sommer dann das nächste Grillfest. Wird der Rhythmus beibehalten, wird das wieder im Grugapark sein. Ob und wann genau, da hat die Losfee ihre Hand im Spiel. Aber dass man sich im Sommer 2025 wieder bei Gegrilltem, Kaffee, Kuchen und Musik sehen wird - daran besteht kein Zweifel!
Alfred Arnold