Als stetiger EM-Konsument der 80 und 90er gefielen dem Rezensenten nicht nur die Alben von Jarre, TD und Co. sondern natürlich auch die Musik des niederländischen Trios Peru. Schon damals vor 25 Jahren überzeugte ihr Stil mit eingängiger Elektronik, schönen Beats und schicken Melodien. The Return, der aktuelle silberne Wiederkehrer des nun als Duos fungierender Band, fügt sich beinahe nahtlos an die Tracks von einst ein und erzeugt sogleich eine kurzweilige und mainstreamige Melange an arpegierten und sequenzierten Stücken. Wie praktisch, dass Rob Papen, einer der beiden Protagonisten auf seine eigene Soundwelt zurückgreifen kann, ist er doch auch als Sound- und VST-Synthdesigner aktiv. Poppige Nummer, teils Choral oder mal leicht vokal angehaucht sowie typische EM-Nummern wechseln sich wohl platziert ab und hinterlassen auch nach wiederholten Male eine beschwingte Zufriedenheit, die wir in naher Zukunft auch gerne mal live konsumieren würden.
Stefan Erbe
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Als wären die zwei vorherigen Alben von Stan Dart nur ein Aufwärmtraining vor der großen Show, denn mit dem neuen Doppelalbum "Seaside" hat der Künstler aus Österreich ein Meisterwerk kreiert. Zusammen mit dem Pianisten Mark Dorricott aus England ist Elektronische Musik von exzellenter Qualität entstanden! Eine Soundtrack-Atmosphäre zieht sich durch das gesamte Werk. Kein Wunder, dass eine Reminiszenz an die großartigen "Blade Runner"-Filme herauszuhören ist, wo schon die Frage dominierte: Haben Replikanten Gefühle?
Der erste Track "Waves" transportiert den Hörer mit einem vermeintlich ruhigen, ominösen Sound an einen fernen Strand in einem Paralleluniversum. Wellenreitend entwickelt sich der Song und klingt atemberaubend - was für ein genialer Auftakt! Die folgenden Tracks sind sehr abwechslungsreich. Stan Dart hat ein sicheres Gespür für chillige Midtempobeats, kombiniert mit den jazzigen Pianoklängen Mark Dorricotts. In "Stellar Nights" und "Time's Right" wird es allerdings wieder sehr gefühlvoll und sphärisch, wie ein Trip in eine sternenklare Nacht bis weit in die Stratosphäre. Grandios.
Auf CD 2 schwebt ein Hauch von Vangelis durch die 6 überwiegend langen Tracks. Der erste Titel "Replicant's Dream" zeigt das Thema dieser CD. Der dann folgende Electronic-Blues "Empty Rooms" klingt wie völlig aus der Zeit gefallen - megastark! Und wer glaubt, dass den Künstlern allmählich die Puste ausgeht, wird sich wundern. So anmutig und edel wie in "Memories of Tomorrow" habe ich Stan Dart noch nie gehört. Die Harmonie mit dem Pianisten ... zum Niederknien. Doch es geht weiter mit dem geschmeidigen "Distant Life", dem dramatischen "Thannhauser Gate" bis zur verklärten Auflösung im letzten Track. Applaus für Stan Dart und Mark Dorricott - das ist ganz großes Ohrenkino.
http://www.stan-dart.com/
Will Lücken
Bertrand Loreau hatte ich von seinen bisherigen Alben bereits als einen Elektronik-Musiker mit verschiedenen Facetten kennengelernt. Für "Catvaratempo" hat er sich mit Frédéric Gerchambeau einen Partner hinzu geholt, der mir bisher noch nicht bekannt war. Der Album-Titel gibt keine Hinweise darauf, in welche Richtung Bertrand seine Musik erweitern will, und auch die Tracks sind schlicht von eins bis vier durchnummeriert (allerdings auf Sanskrit).
Im Gegensatz zu anderen Kooperationen wollen die beiden Franzosen ihre beiden Stile gar nicht miteinander verschmelzen: Die melodisch-atmosphärischen Teile von Bertrand Loreau lassen sich klar heraushören, ebenso die Sequenzen und experimentellen Parts von Frédéric Gerchambeau. Für mich ist dieses Album eine Art Dialog zweier ganz unterschiedlicher Stile, und so wie in einem Dialog mit Worten mal der eine und mal der andere mehr redet, so spielt sich auch hier mal einer der beiden in den Vordergrund. Was jedoch nie passiert, ist dass der jeweils andere ins Abseits gedrängt wird. Phasenweise finden sich auch beide auf gleicher
Höhe zu einer Art Harmonie zusammen, bis sie wieder auseinander driften.
"Catvaratempo" ist für mich ein Experiment, was passiert, wenn man zwei Musiker mit gänzlich unterschiedlichen Stilen einfach machen lässt, und der Beweis, dass es nicht in einer Kakophonie enden muss. Es macht Spaß, diesem Dialog zu lauschen, und dabei zu überlegen, was die beiden Parts symbolisieren sollen. Meine Assoziation beim Hören war der ewige Konflikt von Natur und Technik, aber je nach eigener Lebens-Situation mag man zu einem anderen Ergebnis kommen. Einen "Selbstversuch" ist dieses Album aber auf jeden Fall wert!
http://www.sphericmusic-shop.de/
Alfred Arnold
Nicht nur die Fans des Schleidener Musikers erfreuen sich schon etliche Jahre über hochqualitative Datenträger und genießen im Besonderen immer wieder das besondere Soundlevel. Dass auch dies auf der aktuellsten Veröffentlichung nicht anders ist, scheint nicht nur selbstverständlich sondern Mindestanforderung zu sein, auch wenn sich die Klangerzeugung dieses Mal ein wenig analoger zeigt. Auch die Trackauswahl im gespannten Spannungsbogen ist gelungen und bietet sogar noch mehr Abwechslung bzw. Kontrast im Vergleich zu den letzten Alben, denn der erneute kosmische Background bedient nahezu alle Scifi-Musik-Komponenten die die letzten 20-30 Jahre so her gegeben haben. Das alles verleiht "groundcontrol" eine sehr zugängliche, konsumfreudige Note und eigentlich bleibt nur zu hoffen, dass Scholl doch nochmal den Weg zu irdischen Klangerzeugungsgrundlagen finden werden kann, um nicht auf immer und ewig im endlosen All nach dem perfekten Sound suchen zu müssen.
www.mellowjet.de
Stefan Erbe
Stefan Erbe mag es nicht, auf dem nächsten Album einfach den Stil des Vorgängers zu wiederholen, soviel ist bekannt. Dass er nach dem Ausflug ins All mit der "Genesys" wieder in irdische Gefilde zurückkehren würde, war also zu erwarten. Die radikale und direkte Weise, auf die er den nächsten Schritt geht, überrascht dann aber schon. Auf "Reflect" werden die Probleme thematisiert, mit denen sich die Menschheit im Hier und Jetzt beschäftigen muss: Kriege, die Schere, die zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht, und der allgegenwärtige Plastikmüll. Damit einhergehend wird der "Erbe-Sound" auch auf neue Weise interpretiert: er ist härter und direkter, der Botschaft angepasst.
Das soll jetzt aber nicht heißen, das "Reflect" ein Album mit negativer oder düsterer Grundstimmung wäre. Den Problemen setzt Stefan Erbe seine positive Sicht auf die Zukunft entgegen - Probleme können gelöst werden, und jeder einzelne kann etwas dazu beitragen, wenn er/sie nur will.
Ich habe bei Rezensionen früherer Erbe-Alben geschrieben, man könne die Musik auch einfach nur genießen, ohne sich über das dahinter stehende Konzept oder die Aussagen Gedanken zu machen.
Prinzipiell gilt das auch hier, aber es ist schwerer als je zuvor, sich der hinter den Tracks stehenden Botschaft zu entziehen. "Reflect" ist für mich das thematisch bisher ambitionierteste Erbe-Album, und es zeugt von Stefan Erbes Fähigkeiten, wie er auf "Reflect" die Botschaft mit seiner musikalischen Identität verschmolzen hat. Chapeau, sowohl für den Mut als auch die gelungene Überraschung!
Alfred Arnold