In manchen Fällen ist man wirklich dankbar, dass man zur schreibenden Fraktion der Musik-Bewerter gehört, denn wäre der aktuelle Rezi-Release Bestandteil (m)einer Radiosendung, würde ich mich wohl gleich aller emotionaler Impressionen des Longplayers bedienen müssen, denn die Titelnamen der auserwählten Stücke versprechen nicht nur unaussprechliche komplexe Inhalte, sondern sie umfassen auch verschiedene Sprachen und spezifische Bezeichnungen für menschliche Gemütszustände. "Je L'ai Calissee La“ von Mario Hammer and the lonely Robot erschien bereits schon im Jahr 2017, wird aber sicher noch weitere Analog-Enthusiasten finden, die sich den gewagten Soundfraktalen von M.H. hingeben werden können. Der reduzierte Plot der VÖ fasziniert, keine Frage, ob er aber jede imaginäre Emotionalität getroffen hat, werden wir erst dann wissen, wenn man sie selbst beim Zuhören durchleben konnte.
https://kompakt.fm/releases/je_l_ai_ca_lisse_e_la
Stefan Erbe
Lag es an meiner letzten Rezension, wo ich mich als Fan auch von etwas "abseitigerer" elektronischer Musik geoutet hatte, dass mir "The Incident" von Klangwelt in die Mailbox geflattert ist? Ich weiß es nicht, aber bereut habe ich es auf jeden Fall nicht. Um was für einen "Vorfall" es in diesem Album geht, habe ich nicht herausgefunden. Bilder brennender Pilze auf dem Cover, sowie in die Tracks eingestreute Notfalldurchsagen und Sirenen lassen bei einem Aachener Gedanken an gewisse Atommeiler auf der anderen Seite der Grenze zu.
Aber vielleicht sollte man auch nicht allzuviel hinein interpretieren, und stattdessen einfach mal die Musik auf sich wirken lassen. Und ich finde, das lohnt sich, weil Gerald Arend aka Klangwelt hier sehr souverän und alles andere als orthodox mit den Elementen elektronischer Musik umgeht. Das Ergebnis ist ist ein kurzweiliges und abwechslungsreiches Werk, das nie langweilig wird und an dem man auch nach dem soundsovielten Hören neues entdeckt - sei es ein kreativ eingesetzter Sound, orchestrale Einlagen oder ethnische Anflüge. Und sie fallen eben deswegen nicht auf, weil sie nicht aufgesetzt wirken, sondern sich ins Gesamtkonzept einfügen. Well done!
Alfred Arnold
Und wieder einmal haben sich die synthetischen 4 von EFFS zusammengefunden, um der Nachwelt ein 7-trackiges Album zu hinterlassen. Der EM-Fachmann weiß sogleich, dass sich die Herren Erren, Fleissig, Schöttler und Steffen dafür vorher in die benachbarten Niederlande begeben haben und im heimeligen Küstenstädtchen Ouddorp ihre Ideen in Live-Sessions aufzunehmen. Wie auch bei den vorherigen Alben entstand so erneut die urlaubsreife Synergie, die dieses mal ab Track 3 so richtig Fahrt aufnimmt und anders als sonst, eine besondere rhythmische und perkussive Note erhalten hat. Die ausgefeilten Beats erzeugen einen Charakter, der sich (so empfindets der Rezenseur) von den bisherigen Veröffentlichungen unterscheidet. Aber keine Sorge, EFSS bleiben ihrem restlichen und sequenzierten Berlin-School-Sound treu und variieren gekonnt den grosszügigen Spannungsbogen in gewohnter Qualität. Wie immer Ein- und ausladend!
https://efss.bandcamp.com/
Stefan Erbe
Wer sich, nachdem er die ersten Takte der neuen CD von Erik Seifert & Josi Steinbüchel vernommen hat, auf die Suche nach den echten Bildern der verlassenen Orte macht, die in den 10 Tracks musikalisch beschrieben werden, benötigt sicher nur ein paar Minuten um sich auf die Magie des Soundtracks einzulassen. Gerade der Hintergrund der Album-Geschichte ergänzt die Imagination der Musik nochmal deutlich und vermengt die Sounds und die Eindrücke zu einer Mischung aus Grusel und Faszination, unerklärlicher Schönheit und mysteriösem Zauber. Da stört es auch kaum, dass sich alle Kompositionen ausschließlich im Deep-Ambient bewegen und keine Beats, sowie eingängige Hooks früherer Alben zu hören sind. Auch auf "AP" gelingt beiden Protagonisten ein Soundtrack der gefällt und so hoffen wir, dass das nach dem Download auch ein Album als Hardcase-CD folgen wird und darauf noch mehr echte, eindrucksvolle Prints mitgeliefert werden.
https://seifertsteinbuechel.bandcamp.com/
Stefan Erbe
Man kann es sich einfach machen und immer nur die Musik von Künstlern kaufen, die man kennt und bei denen man mehr oder weniger weiß, was einen erwartet. Spannender ist es aber, auch mal etwas links und rechts vom ausgetreten Pfad des eigenen Geschmacks zu wandern. Für mich ist "Double Climax" von Thomas "Globotom" Albertsen so ein Fall. Viele bekannte Namen wie Bernd-Michael Land, der leider inzwischen verstorbene Wolfgang Gsell oder Harald Bertram finden sich auf der Liste der Beteiligten, dieses Album ist nämlich das Ergebnis einer Reihe von Kooperationen in den letzten Jahren. Die Befürchtung, dieses "Name Dropping" wäre in erster Linie geschehen, den eigenen Namen etwas prominenter zu machen, bewahrheitet sich nicht. Vielmehr ist die lange Liste Garant für ein außerordentlich vielfältiges und abwechslungsreiches Werk. Klassische Elektronik findet sich hier ebenso wie Ausflüge zu orchestraler Filmmusik, Jazz, Ambient und Progressive Rock. Also ein Album, das nicht weiß, wohin es will? Nein, eher ein Album von einem Musiker, der offensichtlich das dadaistische Prinzip verinnerlicht hat, dass der Kopf rund ist, damit man in alle Richtungen gleich gut denken kann. Man muss nicht alles mögen, was sich auf diesen zwei CDs findet, aber mehr als einen Lauf im CD-Player ist es auf jeden Fall wert, um für sich die eine oder andere Perle zu heben. "CD-Player" ist übrigens wörtlich zu nehmen, denn "Double Climax" gibt es nur in physischer Form bei Globotom selber und nicht als Download.
Quelle/Künstlerseite: https://globotom.jimdo.com/
Alfred Arnold